Reden / Reden & Parlament

UNESCO-Forum „Identités, Cultures et Violences


Es gilt das gesprochene Wort!

30.12.2018

Rede des Minsiters zum Unesco Forum (144.3 KiB)

Sehr geehrte Damen und Herren,

es freut mich außerordentlich, ein paar Worte zum zweiten Teil des Forums „Identités, Cultures et Violences“ an Sie richten zu dürfen. Es ist eine große Ehre für uns, dass dieses UNESCO-Forum hier in Ostbelgien stattfindet.

Man hat mich gebeten, ein paar Worte zum Jugendschutz in Ostbelgien zu sagen. Denn der Jugendschutz spielt in der Deutschsprachigen Gemeinschaft – erst recht nach der 6. Staatsreform – eine wichtige Rolle.

Hat ein Minderjähriger eine Tat begangen, die im Erwachsenenstrafrecht als Straftat qualifiziert ist, kann er über die Staatsanwaltschaft dem Jugendrichter vorgeführt werden. Dieser kann dann eine im Jugendschutzgesetz aufgeführte Maßnahme auferlegen. Alle Jugendschutzmaßnahmen verfolgen grundsätzlich einen pädagogischen Ansatz, damit dem Jugendlichen deutlich wird, dass er sein Verhalten ändern muss.

Der Jugendschutz hat die Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor den vielfältigen, oft auch subtilen Gefährdungen zu schützen, ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen und sie auf diesem Weg zu begleiten. Erziehung, soziale Wiedereingliederung, Verantwortung gegenüber den Mitmenschen, Emanzipation, persönliche Wertschätzung und der Schutz der Gesellschaft sind in diesem Zusammenhang wichtige Begriffe.

Der Jugendschutz wird im Wesentlichen durch das föderale Gesetz vom 8. April 1965 geregelt. Dieses wurde 2006 nochmals reformiert. In diesem Gesetz werden u.a. der Umgang mit jugendlichen Straftätern festgelegt, die Maßnahmen aufgelistet, die das Jugendgericht anordnen kann sowie Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um Eltern im Extremfall die elterlichen Rechte abzuerkennen. Das Jugendschutzgesetz regelt zudem einen Teil des Verfahrens.

Seit der Aktualisierung des Gesetzes hat der Richter ein breiteres Spektrum an Maßnahmen, die er gegenüber einem Minderjährigen, der eine Straftat begangen hat, verhängen kann oder die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagen werden können.

Welche Maßnahmen sind nun konkret denkbar?

Bei einem Kind, das zum Tatzeitpunkt jünger als zwölf Jahre alt war, gibt es nur drei Maßnahmen, die das Jugendgericht ergreifen kann:

  1. Tadel,
  2. soziale Begleitung
  3. oder intensive erzieherische Betreuung.

Bei Jugendlichen von mindestens zwölf Jahren wird der Richter Angebote zur Wiedergutmachung bevorzugen. Diese umfassen die Vermittlung sowie unter Umständen eine wiedergutmachende Gruppenkonzertierung

Der Jugendrichter kann auch andere Maßnahmen ergreifen, z.B.:

  • seinen Ausgang beschränken, wenn der Jugendliche die elterliche Autorität nicht respektiert oder schlechten Umgang hat;
  • eine ambulante therapeutische Behandlung anordnen;
  • in Ausnahmefällen eine Unterbringung anordnen (Pflegefamilie, öffentliche Jugendschutzeinrichtung, stationärer Krankenhausaufenthalt usw.).

Liebe Anwesende,

die DG ist keine Insel. Auch bei uns gibt es straffällig gewordene Jugendliche und auch in Ostbelgien gibt es ganz spezifische Herausforderungen.

Aufgrund unserer Größe oder sollte ich sagen unserer Kleinheit besitzen wir beispielsweise keine eigene Jugendschutzeinrichtung. Deshalb arbeiten wir hier sehr eng mit der Französischen Gemeinschaft zusammen. Hat ein Jugendlicher eine besonders verwerfliche Straftat begangen, kann das Jugendgericht, den Jugendlichen für einen bestimmten Zeitraum einer öffentlichen gemeinschaftlichen Jugendschutzeinrichtung, im Fachjargon unter dem Kürzel IPPJ bekannt, der Französischen Gemeinschaft anvertrauen.

In diesem Fall hat die Deutschsprachige Gemeinschaft die Aufgabe, die jugendlichen Straftäter sozial-pädagogisch zu betreuen. Hierfür haben wir drei selbstständige Sozialarbeiter beauftragt. Das klingt im ersten Moment wenig, aber man darf nicht vergessen, dass wir eine kleine Gemeinschaft sind, mit übersichtlichen Strukturen. Im Jahr 2015 gab es 3 Unterbringungen, 2016 keine und 2017 nur 2

Die Sozialarbeiter ermöglichen dem Jugendlichen durch regelmäßige Besuche in der Einrichtung eine Begleitung und Betreuung in deutscher Sprache. Sie halten den Kontakt mit der Schule, um Unterrichtsunterlagen zu übermitteln oder helfen gegebenenfalls sogar bei der Bearbeitung des Unterrichtsstoffs. Außerdem gewährleisten sie eine Nachbetreuung des Jugendlichen, wenn die Maßnahme beendet ist. All dies ist essenziel für die Weidereingliederung des Jugendlichen die Gesellschaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich sprach eben von Herausforderungen, die für unser kleines Gebiet besonders zutreffen. Wir haben dadurch aber auch Chancen und sogar gewisse Vorteile unseren Nachbarn gegenüber.

Im Zuge der Sechsten Staatsreform liegt der Jugendschutz nun weitgehend in der Zuständigkeit der Gemeinschaften.

Wir werden in Zukunft ein eigenes Jugendschutzdekret verabschieden. Seit geraumer Zeit haben wir mit den Vorbereitungen begonnen. Bis zum Ende des Jahres wird das aktuelle System samt der Maßnahmen evaluiert. Auf dieser Grundlage wird dann in der nächsten Legislaturperiode eine Reform stattfinden. Unsere kurzen Wege ermöglichen es uns, das zukünftige Jugendschutzdekret in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren der Jugendschutzlandschaft der Deutschsprachigen Gemeinschaft auszuarbeiten. Auch hier ist der Mehrwert der Autonomie spürbar, weil wir die neuen Zuständigkeiten noch besser an die Gegebenheiten der Deutschsprachigen Gemeinschaft anpassen können.

Ausgehend von der Bestandsaufnahme und der Bedarfsanalyse und basierend auf Statistiken des Jugendschutzes und Gesprächen mit den beteiligten Akteuren werden dann konkrete Vorschläge zur Gestaltung des Jugendschutzes in der Deutschsprachigen Gemeinschaft resultieren. Ganz wichtig wird sein, dass die neue rechtliche Grundlage die Erziehung, soziale Wiedereingliederung, Eigenverantwortung, Emanzipation und persönliche Wertschätzung der Jugendlichen sowie den Schutz der Gesellschaft ermöglicht.

Auf das Alleinstellungsmerkmal der kurzen Wege möchte ich gerne nochmals eingehen, da sie insbesondere in den Kontakten unserer Dienste mit dem Jugendgerichtsdienst sehr hilfreich sind. Durch diesen direkten Kontakt mit den Gerichtsbehörden sind die zuständigen Sozialarbeiter und Dienste viel handlungsschneller und können Aufträge ohne längere Wartezeiten in Angriff nehmen.

Auf diese Nähe und die gute Zusammenarbeit werden wir bauen, um unsere künftige Aufgabe optimal und im Sinne der Bevölkerung ausführen zu können. Diese kurzen Wege, das zum Abschluss, haben wir auch genutzt, um 2017 gemeinsam mit den Gemeinden und der Zivilgesellschaft ein Integrationsdekret zu schaffen, auf das der Ministerpräsident eben eingegangen ist. Dieses Dekret schafft eine Grundlage zur Förderung der Integration in Ostbelgien. Wir haben Sprachkurse und Integrationskurse geschaffen, einen Förderrahmen für Projekte ermöglicht und kommunale Integrationsbeauftragte eingesetzt. Gemeinsam mit den Anstrengungen im Unterrichtswesen haben wir rund 1 Million Euro für unser Gebiet von 77. Einwohnern in die Integration investiert.

Meine Damen und Herren,

Ihnen allen wünsche ich interessante und erkenntnisreiche Gespräche und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

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