Parlament / Reden & Parlament

„Deutschsprachige Belgier dürfen keine Patienten zweiter Klasse sein.“


Es gilt das gesprochene Wort!

24.04.2017

Resolutionsvorschlag Zur Grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (129.0 KiB)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses,

der Ausschuss IV des Parlaments hat sich seit Februar 2017 intensiv mit den Gründen für das Ende des IZOM-Abkommens und der Nachfolgeregelung befasst.

Das IZOM wurde Ende letzten Jahres vom föderalen Landesinstitut für Kranken- und Invalidenversicherung (LIKIV) für beendet erklärt und das trotz des massiven Widerstands der lokalen Krankenkassenakteure und der ostbelgischen Regierung.

Auf die Gründe des LIKIV bin ich bereits in Beantwortung einer dringenden Frage in der Parlamentssitzung vom 12. Dezember 2016 eingegangen. Ich werde sie heute nicht wiederholen. Außerdem wurden sie bereits durch einige Kollegen dargelegt.

Auch wenn einige –bei weitem nicht alle- dieser Gründe nachvollziehbar sind, so war es in den Augen der Regierung von fundamentaler Bedeutung, zunächst für den Fortbestand des IZOM deutlich und mit Nachdruck zu appellieren und dann, als klar war, dass dies seitens des LIKIV nicht mehr gewollt ist, eine Nachfolgeregelung einzufordern, die unserer besonderen Situation Rechnung trägt.

Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass das IZOM fortbesteht. Seit seiner Einführung hat diese Vereinbarung für einen vereinfachten Zugang zu grenzüberschreitenden Angeboten gesorgt.

Angebote, die in Ostbelgien aufgrund fehlender Fachärzte oder aufgrund der geringen Patientenzahlen mit bestimmten Krankheitsbildern nicht bestehen.

Angebote, die aufgrund der Sprache nur in Deutschland zu finden sind. Ich habe es oft genug gesagt: Sich mit dem Arzt zu verständigen ist selbst in der Muttersprache kompliziert genug. Kollege Nelles hat das eben aus sprachwissenschaftlicher Sicht untermauert.

Aus diesem Grund hat sich die Regierung für die Weiterführung des IZOM stark gemacht. Das haben wir gemacht, obwohl wir nicht zuständig sind.

Wir sind zwar in Fragen der Gesundheit oft nicht zuständig, aber wir fühlen uns in höchstem Maße betroffen und der Bevölkerung der Gemeinschaft zutiefst verpflichtet.

Damit das IZOM bleibt, haben wir die Krankenkassen in ihren Verhandlungen mit dem LIKIV unterstützt. Das haben sie Ihnen in den Anhörungen bestätigt.

Ich habe mich mehrfach schriftlich und auch mündlich an das LIKIV gewandt.

Monatlich, und wenn es sein musste sogar mehrmals im Monat, fanden und finden Versammlungen mit den Krankenkassen am Sitz der Regierung statt, um unsere Strategie und jeden Schritt abzustimmen.

Den Vorstandsvorsitzenden der AOK Rheinland-Hamburg habe ich um Einlenken in der Frage der Verwaltungskosten gebeten, um eine Blockade, die auf deutscher Seite zeitweise bestand, aufzulösen.

Bei Gesundheitsministerin Maggie De Block habe ich schriftlich und auch mündlich in Brüssel für einen vereinfachten Zugang der Ostbelgier zu Gesundheitsangeboten in Deutschland argumentiert.

Und als deutlich wurde, dass das LIKIV sich nicht darauf einlassen möchte, haben wir gemeinsam mit den Krankenkassen Ende des Jahres die Strategie geändert und uns für eine Nachfolgeregelung eingesetzt.

Dies aus der Überzeugung heraus, dass eine gute Alternative zum IZOM, die weiterhin einen erleichterten Zugang für die Ostbelgier garantiert, besser ist als keine Lösung.

Denn laut Aussage des LIKIV und auch der Föderalministerin bedarf es aufgrund einer europäischen Richtlinie zur Patientenmobilität keiner Sonderregelung für den Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern in Deutschland.

Und das stimmt. Der Zugang ist auch ohne das IZOM gewährleistet. Wer das Gegenteil behauptet, kennt die Fakten nicht. Allerdings ist das Verfahren, das über die EU-Richtlinie möglich ist, in unseren Augen eher für die Ausnahme gedacht und nicht für die Regel. Als Grenzregion benötigen wir eine Alternative, damit die Bevölkerung deutlich einfacher nach Deutschland gehen kann und finanziell im Vergleich zum Rest der Belgier nicht benachteiligt wird.

Denn sicher möchten wir Deutschsprachige nicht, dass andere Belgier im Vergleich zu uns in Sachen der Gesundheit aufgrund des IZOM diskriminiert werden. Aber als gleichberechtigte Belgier haben wir genauso das Recht auf Chancengerechtigkeit in einem Land, das wir seit 1920 unsere Heimat nennen.

Ganz richtig! Hier geht es nicht um Extrawürste, sondern um Rechte.

Deutschsprachige Belgier dürfen keine Patienten zweiter Klasse sein.

Das ist nicht nur mein ganz persönlicher Standpunkt, sondern der Standpunkt der Regierung und mit Blick auf die hinterlegte Abänderung der Resolution und ihrer Verabschiedung in ein paar Minuten hoffentlich auch die des Parlaments.

Neben dem vereinfachten Zugang zu ambulanten und stationären Leistungen in Deutschland haben wir uns außerdem dafür eingesetzt, dass nicht nur das Gebiet deutscher Sprache, sondern auch die frankophonen Randgemeinden ebenfalls von der Nachfolgeregelung profitieren sollten. Denn auch dort leben deutschsprachige Belgier, die auf die deutschen Angebote angewiesen sind.

Diese Argumentation hat die Verantwortlichen überzeugt.

Dank des Engagements der regionalen Krankenkassenverantwortlichen und der Deutschsprachigen Gemeinschaft wird deshalb nicht erst seit dieser Resolution an einer Nachfolgeregelung gearbeitet.

Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass diese Resolution in der Form, wie sie heute inzwischen hier vorliegt, notwendig ist.

Sie ist notwendig, um die Krankenkassen noch mehr zu unterstützen und das LIKIV zu überzeugen. Denn sie sind es, die eine Entscheidung treffen.

Sie ist notwendig, damit die Föderalregierung daran erinnert wird, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft aufgrund ihrer geografischen Lage und der Sprache sich in einer besonderen Situation befindet, die im Gesundheitsbereich besondere Lösungen erfordert – nicht weil sie verwöhnt ist oder sich verwöhnt wissen möchte, sondern weil es um essentielle Rechte geht.

Und diese Resolution ist zu guter Letzt notwendig, um der Regierung mit breiter Mehrheit den Rücken zu stärken. Damit man von hier bis Brüssel weiß, dass in Ostbelgien breiter Konsens in der Frage der Gesundheitsversorgung quer über alle Fraktionen hinweg besteht.

Genauso deute ich nämlich diese Resolution. Und genau deshalb möchte ich mich im Namen der Regierung für die Arbeit im Ausschuss und die Unterstützung des Parlaments in dieser Angelegenheit bedanken.

Am 10. Mai trifft sich die Arbeitsgruppe zum vorerst letzten Mal, um die Nachfolgeregelung zu besprechen, die auf dem Tisch liegt. Letzte Details müssen noch geklärt werden, ehe diese verabschiedet wird.

Ab diesem Zeitpunkt obliegt es dem LIKIV und den Krankenkassen die neue Regelung der Bevölkerung, den Ärzten, den Krankenhäusern und Paramedizinern hierzulande aber auch in Deutschland zu erklären.

Eine gute Kommunikation ist von Nöten, um alle Beteiligten aufzuklären. Das gilt denke ich insbesondere für die Ärzte, Krankenhäuser und die Paramediziner, die sich über die Wettbewerbsverzerrung der IZOM-Regelung in der Vergangenheit beschwert haben.

Mit der neuen Regelung kommt ihnen das LIKIV entgegen. Im neuen System wird ihnen eine neue Rolle zugesprochen. Und daher müssen sie sowohl in der Kommunikation als auch in der Behandlung gemeinsam mit den Krankenkassen an einem Strang ziehen.

Denn in den letzten Monaten sind viele Menschen unsicher geworden. Das ist verständlich – schließlich geht es um ein hohes Gut: Die Gesundheit!

Das müssen wir uns alle stets vor Augen halten und geeint daran arbeiten!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

1 Kommentar

  1. Hartmut Fuchs says:

    Inzwischen ist die Versorgung #HIV-Infizierter in Ostbelgien nicht mehr möglich. Die Genehmigung für Medikamente wird per Gesetz verweigert. Das ist vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge durch die verantwortliche Gesundheitsministerin
    Sind doch nicht ALLE gleich ?!

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Tags: , , ,
Schrift vergrößernSchrift verkleinernStandard