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Vorstellung des Seniorendekrets


Es gilt das gesprochene Wort!

13.12.2018

Vorstellung Seniorendekret (145.8 KiB)

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,

heute ist ein historischer Tag für die Deutschsprachigen Gemeinschaft!

Ich gebe zu, dass ich diesen Begriff in dieser Legislaturperiode nicht selten verwendet habe und wenn ich ihn verwendet habe, dann sicherlich mit Bedacht – und nicht aus Effekthascherei.

Das liegt daran, dass der Großteil des Pakets der 6. Staatsreform mit Ausnahme der Beschäftigung und der Strafverfolgung in meinem Aufgabenbereich angesiedelt wurde.

Für mich ist das sicherlich eine Ehre. Eine Ehre, die aber mit viel Verantwortung einhergeht.

Schließlich galt es, eine reibungslose Übernahme der Materie zu garantieren und zum Teil grundlegende Reformen in sensiblen Bereichen vorzunehmen.

Reformen, die die Lebensbedingungen der Menschen verbessern.

Reformen, die zu maßgeschneiderten Lösungen für unsere Bevölkerung führen.

Reformen, die den Menschen den Mehrwert der Autonomie erkennen lassen.

Eine Autonomie, die nicht als „Selbstzweck“ oder „Selbstbedienungsladen“ verstanden wird, sondern als Chance auf eine bürgernahe Politik, die das selbstbestimmte Leben der Menschen und die freie Entfaltung des Individuums in einer solidarischen Gemeinschaft fördert.

Das ist unserer kleinen Gemeinschaft mit ihren begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen bisher gut gelungen.

Natürlich können wir noch viele Dinge besser machen. Die Bedarfe entwickeln sich immer weiter. Perfekte Systeme gibt es nicht.

Weitsicht ist gefragt und schnelles Handeln. Dafür sind wir aber schließlich da! Dafür ist der öffentliche Dienst mit seiner Verwaltung da. Und das wird auch gemacht!

So haben wir in dieser Legislaturperiode Teile der Gesundheitspolitik, darunter die Prävention, die Krankenhausbaufinanzierung und die mentale Gesundheit übernommen. Wir sind für das häusliche Palliativbetreuungsteam, für die Mobilitätshilfen, für das Kindertherapiezentrum, das Kindergeld, die Beihilfe für Betagte, den Jugendschutz und das Justizhaus verantwortlich geworden.

In all diesen Bereichen, die nur als Beispiel dienen und bei weitem nicht das gesamte Paket der 6. Staatsreform umfassen, haben wir die Zuständigkeit nahtlos übernommen.

Wir haben darüber hinaus bereits vieles davon erfolgreich reformiert.

  • Wir haben mit der Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben eine einzige Anlaufstelle für Menschen mit Unterstützungsbedarf und ihre Angehörige geschaffen.
  • Wir haben das System der Mobilitätshilfen vereinfacht, die Qualität verbessert und investieren mehr Mittel als es vorher der Fall war.
  • Wir haben die Krankenhausbaufinanzierung massiv vereinfacht und Planungssicherheit für die Häuser geschaffen. Deshalb wird im St. Nikolaus Hospital für 13 Millionen aktuell gebaut. Aus diesem Grund werden wir in die Klinik St. Josef investieren.
  • Wir haben ein Kindergeldsystem aufgebaut, das für mehr Gerechtigkeit sorgt, im Schnitt die höchste finanzielle Unterstützung in Belgien bedeutet, indem die Regierung mehr Mittel investiert, als das, was wir vom Föderalstaat für diese Aufgabe bekommen haben.

Und heute wird ein weiterer Baustein der 6. Staatsreform reformiert. Denn mit dieser Staatsreform ist die Deutschsprachige Gemeinschaft für die Finanzierung der stationären Betreuung und Pflege zuständig geworden.

Bisher waren wir nur für Teile der häuslichen Hilfe verantwortlich. Wir haben den Schwerpunkt auf einen Ausbau der Angebote gelegt. Das war in der Vergangenheit deutlich und eben habe ich bereits gesagt, dass wir in dieser Legislaturperiode eine Erhöhung der Mittel von rund 40 % (!) vorgenommen haben.

Ab dem 1. Januar 2019 werden wir nun die Finanzierung der stationären Begleitung und Pflege übernehmen. Konkret geht es um die Alten- und Pflegewohnheime, die in Zukunft „Wohn- und Pflegezentren“ heißen werden, weil wir gemeinsam mit dem Sektor einer wertschätzenden Kommunikation noch mehr Bedeutung beimessen.

Wir haben für die Finanzierung der Wohn- und Pflegezentren nicht ein weiteres Dekret geschrieben und Ihnen vorgelegt.

Wir haben die unterschiedlichen Rechtstexte im Bereich Senioren in ein einziges Dekret gegossen, welches die Betreuungsangebote für Personen mit Unterstützungsbedarf, darunter die der Senioren und die Palliativpflege absichert und ihre Arbeit im Sinne der Bevölkerung verbessern soll.

Es umfasst die häusliche Hilfe, die stationäre Hilfe und die Palliativpflege. Auf diese Weise sprechen wir uns für eine Vernetzung der verschiedenen Angebote und der Akteure aus, die künftig in Wohnhilfezonen möglichst einen personenorientierten Parcours der Begleitung und Versorgung erstellen werden.

Dieses Dekret haben wir allerdings nicht im stillen Kämmerlein geschrieben.

Dieses Dekret haben wir nicht in Polithinterzimmern erstellt.

Dieses Dekret haben wir als Gemeinschaftsprojekt entwickelt.

Nirgendwo in Belgien und vermutlich darüber hinaus in vielen Ländern Europas und der Welt, ist es möglich, gemeinsam mit den Trägern der Einrichtungen an einem Tisch zu sitzen und die Finanzierung passgenau auf die Bedarfe in Ostbelgien zu entwickeln.

Wir haben zwar die bisherige Regelung des Föderalstaats berücksichtigt. Wir sind aber dennoch von einem weißen Blatt Papier ausgegangen.

In zahlreichen Sitzungen mit den Einrichtungen haben wir den vor Ihnen liegenden Dekretentwurf geschrieben.

In diesem Dokument steckt die Innovationskraft unserer Region.

Darüber hinaus haben wir für dieses Dekret den Beirat für Wohn-, Begleit- und Pflegestrukturen und die Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben konsultiert.

Diese beispielhafte Einbeziehung des Sektors und das Dekret als Ergebnis dieser Konzertierung hat dazu geführt, dass die Heimleiter einiger wallonischer Einrichtungen, die kürzlich in Ostbelgien zu Besuch waren, mich scherzhaft, aber trotzdem mit Bewunderung fragten, ob sie einen Briefkasten in Ostbelgien anbringen könnten, um von dieser Regelung zu profitieren.

Kolleginnen und Kollegen,

die Verabschiedung dieses Dekretes läutet einen Zeitenwende ein.

Wir stellen den Menschen und dessen Unterstützungsbedarf künftig noch mehr in den Mittelpunkt.

Künftig ist nicht mehr von Belang, welcher Anbieter – egal ob bisher häuslich oder stationär – die notwendigen Dienstleistungen erbringt.

In der Zukunft kann jeder dieser Anbieter die Mauern seines Wohn- und Pflegezentrums verlassen und häusliche Hilfsangebote schaffen oder ein Angebot für Menschen mit neurologlischer Schädigung. Künftig kann ein häuslicher Hilfsdienst, eine Seniorenwohngemeinschaft oder gar ein Wohn- und Pflegezentrum betreiben. Oder es wird gar für ein Krankenhaus möglich sein, Kurzzeitpflegeplätze zu betreiben.

Von Belang ist, ob er die Kriterien erfüllt, um den Bedarfen der Menschen in Ostbelgien gerecht werden zu können – die der Senioren und ihrer Angehörigen.

Auf diese Weise wollen wir die Weiterentwicklung von Angeboten, insbesondere in Form eines Parcours, eines Pflegenetzes fördern.

Diese Möglichkeit ist eine Neuerung für alle Anbieter im Sektor – egal, ob häuslich oder stationär. Ich unterstreiche das an dieser Stelle, denn die wesentlichen Neuerungen betreffen die Finanzierung der Wohn- und Pflegezentren.

Trotzdem haben wir auch Neuerungen in der häuslichen bzw. teilstationären Hilfe vorgesehen.

Vier Beispiele möchte ich an dieser Stelle erwähnen.

  1. Mit diesem Dekret wollen wir die Tagespflege und Tagesbetreuung erweitern. Erstmals werden die Anbieter eine öffentliche Finanzierung für die Tagesbetreuung erhalten. Bisher gab es keinen Cent an Zuschüssen – weder vom Föderalstaat noch von der Gemeinschaft.
  2. Die Tagesbetreuung erachten wir als ein wesentliches Element zur Unterstützung der Menschen zuhause und als Entlastung für die Angehörigen.
  3. Wir schaffen eine Grundlage für die Anschubfinanzierung von alternativen Wohnformen. Das können private Initiativen sein oder aber Initiativen von Einrichtungen.
  4. Bis zum Jahr 2022 müssen die Wohn- und Pflegezentren ihre Kapazitäten für Kurzzeitpflege verdoppeln. Die dafür notwendigen Mittel haben wir bereits vorgesehen. Diese Angebote sind aber zum Beispiel auch wichtig, damit pflegende Angehörige eine Auszeit nehmen können.
  5. Diese Kurzzeitpflegeplätze fehlen im Moment. Das ist besonders wichtig für Menschen, die noch zuhause leben können, aber zum Beispiel nach einer Behandlung im Krankenhaus noch nicht fit genug sind, um in die eigenen vier Wände zurückzukehren.
  6. Wir schaffen die Rahmenbedingungen für das Angebot „Kurzaufenthalte mit Reha-Bedarf“. Dieses Angebot gibt es nirgendwo in Belgien. Da die Klinik St. Josef zum Beispiel noch nicht über eine eigene Geriatrie verfügt, kann man mit diesem Angebot den Menschen helfen, die noch nicht fit genug für die Kurzzeitpflege der Wohn- und Pflegezentren sind. Dennoch werden wir uns beim Föderalstaat dafür einsetzen, dass die Klinik Geriatriebetten bekommt.
  7. Wir heben sogar die Grenze von 150 Plätzen pro Standort auf, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

Das sind vier Beispiele für wesentliche Änderungen in diesem Bereich, die über den weiteren Ausbau der Familienhilfsdienste hinausgehen.

Zum Schluss möchte ich aber auf die Finanzierung der Wohn- und Pflegezentren kommen.

Mit dem Dekret schaffen wir die Grundlage für eine stabile Finanzierung, die den Wohn- und Pflegezentren Planungssicherheit gibt.

Wir werden die Bürokratie auf ein Minimum reduzieren.

Vorbei sind zum Beispiel die Zeiten der Einzelabrechnungen der Heime mit den Krankenkassen, mit dem LIKIV und mit dem Bewohner. Das waren insgesamt drei Finanzierungsquellen.

Künftig wird es einen einzigen Vertrag mit jeder Einrichtung geben, der nach einer ersten Testphase in einen Geschäftsführungsvertrag münden soll.

Daneben gibt es weiterhin den Bewohnerpreis.

Eine weitere Vereinfachung betrifft die 8 Pflegekategorien zur Berechnung des Tagessatzes. Künftig gibt es eine Tagespauschale für geringpflegebedürftige und eine Tagespauschale für pflegebedürftige Personen.

Innerhalb einer Übergangszeit von 10 Jahren werden die Einrichtungen eine Finanzierung erhalten, die sich zusammensetzt aus den Tagespauschalen für pflegebedürftige Personen, die 82% des Publikums ausmachen 13% 5%

Für die Einrichtungen bietet das eine erhöhte Plan- und Finanzierungssicherheit.

Mit der neuen Finanzierung wollen wir auch den Bewohnermix im Sinne des Bedarfs optimieren.

So haben die Einrichtungen 10 Jahre Zeit, das Ziel zu erfüllen, dass 82% der Bewohner hohen Pflegebedarf haben, 13% geringem Pflegebedarf und 5% der Bewohner aus Kurzzeitpflege besteht, wo es keine Rolle mehr spielt für die Finanzierung, ob es geringer oder hoher Pflegebedarf ist.

Darüber hinaus wird die Kurzzeitpflege besser finanziert.

Außerdem werden die Krankenhausaufenthalte der Bewohner durchbezahlt. Das bedeutet, dass der leerstehende Platz im Wohn- und Pflegezentrum trotz Abwesenheit von der DG finanziert wird.

Zudem werden die Wohn- und Pflegezentren eine 100%-Finanzierung erhalten, selbst wenn am Ende des Jahres festgestellt wird, dass die Plätze nur zu 97% belegt waren.

Unter anderem diese Maßnahmen werten die Einrichtungen finanziell auf!

Unterm Strich werden wir übrigens bereits ab 2019 mehr Mittel in die Wohn- und Pflegezentren investieren, als das, was wir vom Föderalstaat für diese Aufgabe bekommen haben.

Dennoch sind wir der Meinung, dass darüber hinaus der Ausbau der Kapazitäten erfolgen muss. Wir denken da nicht nur an alternative Wohnformen, die dringend fehlen, sondern auch an klassische Plätze.

Die Regierung hat angekündigt mittel- bis langfristig das Angebot auf bis zu 1.000 Bewohnerplätze auszubauen.

Vor allem in der Eifel brauchen wir mehr Plätze. Deshalb kann ich nur wiederholen, dass ich froh darüber bin, dass Vivias nach dem Abschluss des Ausbaus in Bütgenbach, bereit ist, den Ausbau in St. Vith anzugehen.

Wir werden Vivias und die Trägergemeinden der Eifel dabei unterstützen, in St. Vith die Kapazitäten auf 150 Plätze zu erhöhen.

Mit den Planungen für dieses Bauprojekt haben wir bereits begonnen.

Weitere Fragen, die noch zu klären sind, betreffen die Diversifizierung des Angebots und den Umgang mit dem Fachkräftemangel, der nicht nur hier in Ostbelgien, sondern in allen Industriestaaten besteht.

Das alles kann das neue Dekret direkt nicht beeinflussen, aber es liefert erste Teilantworten.

Die Regierung ist sich der Herausforderungen in diesem Bereich bewusst. Gemeinsam mit dem Sektor und der Zivilgesellschaft gilt es, weitere Antworten zu liefern.

Ich denke, dass die Aussage der Regierung, mehr Mittel in die Seniorenbetreuung zu investieren, ohne dabei in den Geldbeutel der Bevölkerung zu greifen und die begonnenen Verhandlungen für die Aufwertung der Pflegeberufe fortzuführen deutliche Botschaften dafür sind, dass wir dem demografischen Wandel mit voller Überzeugung und Tatendrang begegnen wollen.

Spätestens ab 2028 gibt es keine Unterschiede mehr zwischen Altenheimen und Altenpflegewohnheimen. Alle sollen dann mit einheitlichen Personal- und Qualitätsstandards funktionieren.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

zum Schluss möchte ich mich bedanken bei allen Menschen, die an diesem Dekret gearbeitet haben. Das gilt sowohl für den Sektor als auch für das Parlament. Die Diskussionen im Ausschuss waren größtenteils konstruktiv. Die Abänderungsvorschläge, die hinterlegt wurden, sind das Zeugnis des Arbeitsklimas gewesen.

Auch wenn es unüblich ist, möchte ich aber ausnahmsweise bei der Projektleiterin für dieses Dekret im Fachbereich Gesundheit und Senioren, Frau Isabelle Maystadt bedanken.

Sie hat es geschafft, das Fachwissen der Verwaltung und der Einrichtungen mit meiner politischen Zielsetzung zu vereinen.

Außerdem möchte ich mich beim Ausschussbetreuer für die Erstellung des Berichts bedanken.

Ich bitte das Parlament um die Verabschiedung des vorliegenden Dekrets und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

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