Es gilt das gesprochene Wort!
15.02.2023
Am 19. Januar hat der Verfassungsgerichtshof eine Lücke im bestehenden Dekrettext zu den Familienleistungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft festgestellt.
Um den Fall genau zu verstehen, bedarf es eines kleinen Rückblickes.
Seit Januar 2019 hat die Deutschsprachige Gemeinschaft ihr eigenes Kindergeldsystem, das bei seiner Einführung vom föderalen Verband des Bundes der Familien als das Großzügigste des Landes bezeichnet wurde.
Wir haben also mehr Kindergeld ausgezahlt als der Rest des Landes.
Wir haben außerdem das System stark vereinfacht.
Allen Unkenrufen zum Trotz kam es zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten – sowohl bei der Vorbereitung als auch später beim Inkrafttreten des Systems.
Auch der Staatsrat hat vor der Verabschiedung des Kindergelddekretes ein Gutachten abgegeben, in dem er die hinreichende Berücksichtigung der verschiedenen Lagen der Familien und Kinder konstatierte und das Gutachten im Jahr 2020 nochmals bestätigte.
Ebenfalls hat der Rat für Familienleistungen der DG ein positives Gutachten zum Dekrettext abgegeben.
Bei der Frage des Empfängers haben wir beim Erstellen des Systems ganz bewusst die Entscheidung getroffen, dass das Kindergeld primär an die Mutter ausgezahlt wird, wenn die Eltern zusammenleben.
Das war damals für uns, angesichts der bestehenden gesellschaftlichen Realitäten, die beste Wahl für das Wohl des Kindes.
In Folge dieser Entscheidung haben Mütter von Kindern aus mehreren Beziehungen Anrecht auf den Kinderreichenzuschlag.
Das bedeutet, dass bereits heute einige Patchworkfamilien den Kinderreichen-Zuschlag erhalten.
Zu Beginn dieses Jahres hat der Verfassungsgerichtshof nun eine Rechtslücke im Dekrettext in Bezug auf den Zuschlag für kinderreiche Familien (aktuell 141,32 Euro pro Monat ab dem dritten Kind desselben Empfängers) festgestellt.
Es geht um den konkreten Fall, wenn bei Patchworkfamilien der Vater zusätzlich zu den gemeinsamen Kindern eigene Kinder in die Beziehung und den gemeinsamen Haushalt bringt.
Gemäß den aktuellen Bestimmungen des DG-Kindergeldsystems erhält der Vater dann das Basiskindergeld für sein Kind aus vorheriger Partnerschaft und die Partnerin das für die beiden gemeinsamen Kinder.
Während das Arbeitsgericht in Eupen die Ablehnung des Antrags auf den Zuschlag für kinderreiche Familien bestätigte, war sich der Arbeitsgerichtshof in Lüttich unsicher und hat den Verfassungsgerichtshof zur Klärung dieser Frage angerufen.
Wir müssen also festhalten, dass mehrere Gremien und Gerichte die aktuelle Gesetzgebung in dieser Frage bisher bestätigt hatten und es demnach keinen Anlass gab, die Gesetzgebung anzupassen.
Auch der Dekretvorschlag der CSP aus dem Jahr 2019 gab laut Staatsrat keinen Anlass für eine Reform.
Im Gegenteil!
Der Staatsrat bestätigte darin, seine bisherige Positionierung zur Kindergeldreform der DG.
Das Urteil der Verfassungsrichter stellt die bisherigen Gutachten und Gerichtsentscheidungen nun in Frage.
Von daher wird in dieser juristisch sehr technischen Fragestellung bezüglich sogenannter Patchwork-Konstellationen für Klarheit gesorgt.
Bereits bei der Verabschiedung des Kindergelddekretes im April 2018 habe ich betont, dass das neue System nicht in Stein gemeißelt ist und sich den gesellschaftlichen Entwicklungen und den unterschiedlichen Lebensentwürfen anpassen muss.
Regelmäßige Reformen gehören also zur Logik dieser Gesetzgebung.
Aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts habe ich bereits die Verwaltung angewiesen, den Entwurf einer Dekretanpassung vorzubereiten.
Wir analysieren aktuell das Urteil und werden die richtigen Schlüsse daraus ziehen.
Es handelt sich hierbei um eine Rechtslücke, die wir als Regierung bzw. Parlament zu schließen haben.
Der Verfassungsgerichtshof hat eine Rechtslücke im Dekret über die Familienleistungen festgestellt.
Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich entschieden, dass es die Aufgabe des Dekretgebers ist, diese Lücke zu schließen.
In diesem Kontext obliegt es allein dem Dekretgeber, eine erneute gesellschaftliche Interessenabwägung und Anpassung einer oder mehrerer Bestimmungen des Dekrets durchzuführen.
Die Regierung wird nach dieser gründlichen Interessensabwägung dem Parlament einen Entwurf unterbreiten, um das Dekret abzuändern.
Ab Inkrafttreten dieses Abänderungsdekrets wird ein Zuschlag gewährt werden.
Die Regierung bzw. der Dekretgeber kommt somit seiner Pflicht nach.
Deshalb kann von einem Schaden nicht die Rede sein.