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„Die Reform der Raumordnung könnte man mit einer 3-Stufenrakete vergleichen“


 Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist seit dem 1. Januar 2020 zuständig für die Raumordnung, das Wohnungswesen und Teile der Energie.

Wenn man in den vergangenen Monaten einige Berichte in den Medien las und manchen Personen beim Reden zuhörte, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die DG kurz vor einem Untergang stünde.

Es hieß im Allgemeinen, dass die DG-Regierung sich übernehme oder man Alleingänge plane. Bevor man nach mehr Autonomie strebe, sollte man aber erst einmal die Kompetenzen verwalten können. Doch aller Skepsis zum Trotz: Die Welt ist vor knapp drei Wochen nicht untergegangen. Die nahtlose Übernahme der Zuständigkeiten ist erfolgt. Die Verwaltung der neuen Aufgaben ist bisher gut angelaufen.

Das ist auch richtig so. Schließlich bekommen wir mit den neuen Zuständigkeiten, die einmalige Chance, selbst über unseren eigenen Grund und Boden entscheiden zu können! Das ist eine bedeutende Autonomieerweiterung für unsere kleine Deutschsprachige Gemeinschaft.

Bis hierhin war es bereits ein langer und steiniger Weg, auf dem wir viel gewonnen haben. Wir haben hart an der Übernahme gearbeitet. Wir haben mit der Wallonischen Region Verhandlungen geführt und uns auf die Übernahme einigen können. In der Zwischenzeit haben wir uns mit den Experten vom Terrain beraten und versucht, so viele Fachkräfte wie möglich für diese neue Aufgabe zu gewinnen. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, uns mit den 9 Gemeinden konzertiert und versucht, so viele Partner wie möglich ins Boot zu holen. In den nächsten Monaten und Jahren sollen alle Feldakteure, die mit der Raumordnung arbeiten, in die weiteren Überlegungen einbezogen werden.

Was ist aber nun geplant? In diesem Beitrag stellen wir Ihnen die weiteren Schritte für die Reform der Raumordnung vor.

Die Reform der Raumordnung könnte man mit einer 3-Stufenrakete vergleichen.

Die Zündung der ersten Stufe erfolgte mit der Verabschiedung des Programmdekrets und des Zusammenarbeitsabkommens.

Mit den über 200 Artikeln des Programmdekrets haben wir zum 1. Januar Rechtssicherheit geschaffen. Bestehende Verfahren werden fürs Erste, bis die Deutschsprachige Gemeinschaft eine eigene Gesetzgebung hat, beibehalten. Unser Etappenziel lautet Kontinuität oder auch Beibehaltung bekannter Prozeduren und Vorgehensweisen.

Ein erster Quick Win, also ein erster Etappensieg auf unserem Weg, ist die integrierte Denkmalschutzgenehmigung. Seit dem 1. Januar gibt es einen einzigen integrierten Antrag für Baumaßnahmen an einem denkmalgeschützten Gebäude oder in dessen Schutzbereich. Vorher war es zwei getrennte Anträge. Nun kam also eine Verwaltungsvereinfachung für den Antragsteller.

Das Zusammenarbeitsabkommen wurde unter einer einzigen Prämisse verabschiedet: Es regelt nur das, was geregelt werden muss. Es sorgt für die Anerkennung der Gebietskörperschaften der Wallonischen Region und der Deutschsprachigen Gemeinschaft und regelt die Prozeduren für eine künftige Zusammenarbeit. Hier geht es vor allem um die Globalgenehmigung und die integrierte Genehmigung. Mit dem Abkommen haben wir dafür gesorgt, dass die Bürger sich weiterhin nur an einen Akteur wenden müssen. Obschon zum Beispiel die Wallonische Region für den Umweltbereich zuständig bleibt, soll weiterhin ein Antrag eingereicht werden können.

Außerdem kann die Wallonische Region dank des Zusammenarbeitsabkommens nicht mehr ohne die Zustimmung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Änderungen in der Gesetzgebung vornehmen, die sich direkt oder indirekt auf die Raumordnung auswirken werden. Ohne unsere Zustimmung geht also erst einmal nichts!

Ohne diese erste Stufe hätte es in Ostbelgien Rechtsunsicherheit und Chaos gegeben. Unsere Rakete hätte den Boden nicht verlassen. Sie wäre womöglich bei der Zündung explodiert.

Damit, ähnlich wie bei der Stufenrakete, die Reform an Geschwindigkeit gewinnen kann und erfolgreich umgesetzt werden kann, braucht es weitere Stufen.

Die zweite Stufe unserer Rakete besteht aus einem Dekretentwurf, der all jene Komponenten enthält, die kurz- bis mittelfristig zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen führen soll. Hier geht es um Anpassungen der aktuellen Gesetzgebung. Aktuell beschäftigen wir uns mit der Ermittlung der einzelnen Kapitel. Es wird Änderungen bei den Fristen, Prozeduren und Verfahren geben.

Dieser Teil der Reform bezieht sich vor allem auf kleine Änderungen, die sich mit der großen Vision, der Gesetzgebung, die wir ausarbeiten werden, nicht beißen. Bei diesen Änderungen werden wir uns die Frage stellen: Was wollten wir immer schon einmal anders machen? Welche Hindernisse können wir heute schon beseitigen, um uns den schwierigen, steinigen und steilen Weg, der vor uns liegt, zu ebnen?

Dieses zweite Maßnahmenpaket zielt darauf ab, den Mehrwert der Autonomie für die Bevölkerung in Ostbelgien spürbar zu machen. Die zweite Stufe soll spätestens in 2021 abgeschlossen werden.

Doch ähnlich wie bei der Stufenrakete ist auch hier Vorsicht geboten! Die verschiedenen Stufen, die bis zum Erreichen des Ziels abgetrennt werden, dürfen nicht miteinander kollidieren. Für unser Projekt der Neugestaltung der Raumordnung bedeutet das, dass die zweite Stufe der Reform nicht mit der dritten Stufe, sprich mit dem dritten Maßnahmenpaket, in Widerspruch geraten darf.

Die Zündung der zweiten Stufe erfolgte mit der Übernahme der Zuständigkeit zum 1. Januar 2020.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die dritte Stufe erst gezündet wird, wenn die Bestandteile der zweiten Stufe abgeworfen werden. Das kann durchaus gleichzeitig geschehen.

Denn in der Tat haben wir bereits auch mit der dritten Stufe begonnen. Für dieses dritte Maßnahmenpaket hat die Regierung das Lastenheft für die Begleitung eines breitangelegten Reflexions- und Konsultationsprozesses verabschiedet.

Diese dritte Etappe beinhaltet auch eine Neu- und Ausgestaltung der Gesetzgebung. Hierfür möchten wir uns Zeit lassen. „Gut Ding will Weile haben“ lautet ein bekanntes Sprichwort. Und genau darauf muss man in der Raumordnung achten, wenn man von einem weißen Blatt Papier gehen möchte, um ein neues Konzept zu entwickeln. Hierbei geht es um fundamentale Fragen: „Wie wollen wir, dass unser Dorf oder das Viertel in unserer Stadt, unsere Heimat sich entwickeln? – Welchen Raum möchte man der Wirtschaft geben, damit sie Arbeitsplätze schaffen und wettbewerbsfähige Produkte sowie Dienstleistungen anbieten kann? – Was bedeutet Landschaftspflege und Naturschutz für Ostbelgien?“ Wenn man dieses Leitbild unter breiter öffentlicher Beteiligung der Akteure und der Bevölkerung erstellt hat, dann kann man eine vernünftige Gesetzgebung für die Raumordnung erarbeiten. Südtirol hat für diesen Prozess neun Jahre gebraucht.

Ich möchte versichern, dass das bei uns nicht so lange wie mit dem immer noch nicht fertig gestellten Berliner Flughafen laufen wird! 2024, zum Ende dieser Legislaturperiode, wollen wir einen fertigen Entwurf vorstellen.

Die ersten wichtigen Schritte haben wir somit bereits erfolgreich absolviert. Wir sind dabei, unsere Leitvorstellung eines Ostbelgiens zu erarbeiten, in dem wir die sozialen, wirtschaftlichen, demografischen, energetischen und ökologischen Belange miteinander in Einklang bringen können.

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