Es gilt das gesprochene Wort!
13.10.2016
Rede AA Jubiläum Begleitzentrum Griesdeck (149.1 KiB)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Herr Kohnen hat soeben den eindrucksvollen Werdegang des Begleitzentrums Griesdeck geschildert. Von der Wiege bis ins beste Alter mit 35 Jahren. Als 32-Jähriger freue ich mich nun umso mehr auf die kommenden Jahre und werde die Aussage meines Vorredners natürlich genauestens überprüfen.
Liebe Gäste,
wir haben heute Abend zusammengefunden, um einen besonderen Geburtstag zu feiern: Das Begleitzentrum Griesdeck ist 35 Jahre alt geworden.
Am 5. August 1982 verkündete das belgische Staatsblatt feierlich die Geburt des Kindes Griesdeck in Elsenborn. Natürlich fieberte man im beschaulichen Eifeldorf schon zuvor der Ankunft des Neugeborenen entgegen. In den vorherigen Monaten wurde eifrig der Empfang des mit Freude erwarteten Nachwuchses vorbereitet.
Als sich dann die Verantwortlichen in den Monaten und Jahren nach der Geburt um Griesdeck kümmerten, das Kind hegten und pflegten und bei seinen ersten Gehversuchen sowie beim Großwerden halfen, war von Inklusion weit und breit noch keine Rede.
Das Begleitzentrum Griesdeck wurde nämlich zu einer Zeit gegründet, in der vieles völlig anders war als heute. Das gilt besonders für Menschen mit einer Beeinträchtigung – oder Behinderte, wie man damals noch zu sagen pflegte.
Wie anders es noch war, zeigt ein Ereignis im benachbarten Deutschland, das sich kurz vor der Gründung des Begleitzentrums abspielte.
Eine Urlauberin hatte auf Rückerstattung ihrer Kosten geklagt, da an ihrem Ferienort auch eine Gruppe Schwerbehinderte ihren Urlaub verbrachte. Dies habe den Erholungswert eingeschränkt. Das Gericht gab ihr Recht und sie erhielt einen Teil ihrer Reisekosten zurück.
Als ich das gelesen habe, war ich erst einmal sprachlos. Zugegeben: ich bin es noch immer! Glücklicherweise ist so etwas heute bei uns völlig undenkbar. Denn wir haben nicht nur auf dem Kalender ein Jahrhundert, ja sogar ein Jahrtausend hinter uns gelassen. Nein, wir haben uns in der Zwischenzeit auch von vielen rückwärtsgewandten Einstellungen verabschiedet, Tabus gebrochen und zahlreiche Barrieren abgebaut – besonders in den Köpfen.
Mit diesem traurigen und menschenverachtenden Beispiel (das kein Einzelfall war zur damaligen Zeit) möchte ich eigentlich nur zeigen, wie weit wir es in den letzten 35 Jahren gebracht haben. Der Umgang mit Menschen mit einer Beeinträchtigung hat sich stark verändert.
Wir begegnen ihnen als Menschen mit Potentialen, die den Wunsch haben, ein selbstbestimmter Teil unserer Gesellschaft zu sein. Und genau das ist der Grundsatz von Inklusion, liebe Anwesende.
Spätestens mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 sind Inklusion und Selbstbestimmung Schlüsselbegriffe des gesellschaftlichen und politischen Handelns geworden. Politik und Gesellschaft haben die Zeichen der Zeit erkannt. Auf allen Ebenen, in allen Bereichen. Inklusion geht jeden an. Niemand kann, niemand darf sich für nicht zuständig erklären!
Werte Anwesende,
ich merkte damals nach meinem Amtsantritt sehr schnell, wie wichtig es ist, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Bürgerinnen und Bürger ihren Lebensalltag selbstbestimmt gestalten können – egal woher sie kommen, egal, wie alt sie sind, egal, ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht.
Meine Aufgabe als Minister ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieser Wunsch möglich ist. Und daran arbeite ich nach Kräften.
Als die Regierung die ehemalige Dienststelle für Personen mit Behinderung in die Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben umgewandelt hat, hat sie ein klares Zeichen für die Inklusion gesetzt.
Doch es gibt weitere Beispiele, in denen Gesellschaft und Politik Hand in Hand Bemerkenswertes auf die Beine stellt. Ich denke da an ein aktuelles Projekt: der Westerstrand in der Eupener Unterstadt ist ein Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. In der kommenden Woche wird die European Disability Card, eine Art europäischer Behindertenausweis, offiziell an den Start gehen.
Seit diesem Jahr gibt es erstmals in Ostbelgien ein Projekt zur Inklusion in der außerschulischen Betreuung, das die Regierung gemeinsam mit CAP 48 unterstützt. Apropos CAP 48. In diesem Jahr wurde eine neue Bestmarke aufgestellt– und das zum 60 jährigen Jubiläum. Dass dies möglich war, ist natürlich auch den ostbelgischen Post-It Käufern und Verkäufern zu verdanken! Im Anschluss an die Redebeiträge werden wir deshalb noch einen glücklichen Gewinner einer tollen Geburtstagstorte ermitteln.
Auch ich leiste seit einigen Jahren meinen ganz persönlichen Beitrag und schwinge den Kochlöffel zugunsten der ostbelgischen Tagesstätten. Dieses Jahr durfte ich mit der Tagesstätte Elsenborn leckere Spaghetti kochen und servieren. Den Erlös haben wir dem Begleitzentrum zum Jubiläum gespendet. Herr Kohnen hat eben den Garten angesprochen. Ich habe damals sehr gerne mit angepflanzt und freue mich natürlich nun umso mehr, dass das Geburtstagsgeschenk im wahrsten Sinne des Wortes Wurzeln geschlagen und Früchte getragen hat! Auch im kommenden Jahr werde ich wieder mit meinem Team kochen – diesmal in Hergenrath.
Eben war auch die Rede von den inklusiven Sommerlagern. Ich hatte das Vergnügen, bei meiner Sommertour unter dem Slogan #SelbstbestimmtLeben Ostbelgien in Weywertz an diesem Lager teilzunehmen. Dort konnte ich mir selbst ein Bild von gelebter Inklusion machen. Und diese Stunden haben mich wirklich zutiefst berührt. Noch heute erinnere ich mich genau daran, wie der Junge Paul mir geholfen hat, meinen Namen zu einem Monsternamen umzugestalten. Das Kunstwerk kann sich wirklich sehen lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe nun schon viel und lange gesprochen. Ich könnte natürlich weitere Beispiele nennen. Aber wir möchten schließlich auch noch etwas feiern. Ich belasse es also dabei!
Das Begleitzentrum Griesdeck – das mittlerweile erwachsen ist und sich prächtig entwickelt hat-, die Regierung und viele andere haupt- und ehrenamtliche Akteure verschreiben sich seit Jahren der Schaffung einer inklusiven Gesellschaft. Dass dieser Weg dorthin lang und manchmal steinig ist, möchte ich nicht verheimlichen. Schließlich ist die Inklusion ein Idealzustand. Die Inklusion steckt noch in ihren Kinderschuhen, auch wenn sie schon längst nicht mehr auf wackligen Füßen steht. Ich bin aber zuversichtlich: wenn Politik und Gesellschaft Hand in Hand gehen, werden wir am Ziel angelangen.
Es beruhigt mich ungemein, bei meiner Arbeit einen so zuverlässigen und kompetenten Partner wie das Begleitzentrum mit seinen 3 Abteilungen, der Tagesstätte, der Frühhilfe und den Kurzaufenthalten.an meiner Seite zu wissen. Die Regierung unterstützt diese Einrichtung mit etwas mehr als 820.000 Euro im Jahr.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
eingangs habe ich von der Geburt vom Kindchen Griesdeck gesprochen am 5. August 1982. Griesdeck ist somit dem Sternzeichen des Löwen zuzuordnen -seinerseits ein Feuerzeichen. Ich finde das passt wirklich wunderbar zum Begleitzentrum.
Denn das gesamte Team brennt für seine Arbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Ehrenamtlichen sind Feuer und Flamme für die Menschen, die sie tagtäglich begleiten und unterstützen. Sie sind, im wahrsten Sinne des Wortes, glühende Verfechter der Inklusion und leben dies jeden Tag aufs Neue vor!
Für die bemerkenswerten Leistungen der letzten 35 Jahre möchte ich Ihnen allen im Namen der Regierung meine tiefe Anerkennung aussprechen und Danke sagen.
Möge das Begleitzentrum auch die anstehenden Lebensphasen mit der gleichen Portion Elan, Eifer und Durchhaltevermögen meistern wie bisher. Ich verspreche Ihnen, Sie dabei weiterhin nach Kräften zu unterstützen.
Und nun möchte ich abschließend alle Anwesenden im Saal darum bitten, gemeinsam mit mir den Verantwortlichen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Ehrenamtlichen des ganzen Begleitzentrums einen feurigen Applaus zu bereiten.