Reden / Reden & Parlament

Sitzung LIKIV + Krankenkassen zum IZOM-Abkommen


Es gilt das gesprochene Wort!

10.02.2017

20170210 Arbeitssitzung Krankenkassen LIKIV (134.3 KiB)

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Ich bin froh, dass Sie der Einladung gefolgt sind und den weiten Weg auf sich genommen haben. Stellen Sie sich vor, Sie hätten auch noch ein Leiden und keinen Dolmetscher dabei, so wie wir Ihnen heute einen zur Verfügung stellen.

Als ich Ende der 90er Jahre nach Belgien kam, haben mich drei Dinge besonders beeindruckt.

Während ich damals in Griechenland die Grenzen zu unseren Nachbarländern sah und erlebte, fand ich hier in Belgien keine Grenzen vor, keine Schlagbäume und keine Zäune.

In Belgien war ich plötzlich frei, mich über die Grenzen des eigenen Landes zu bewegen. Doch es war viel mehr als der Wegfall der sichtbaren Grenzen.

Die Menschen haben daran gearbeitet, auch vermeintlich unsichtbare, aber dennoch vorhandene Grenzen zu überwinden. Mentale, aber auch rechtliche Barrieren.

Das IZOM-Abkommen entstand, um gerade diese Barrieren zu überwinden.

Die zweite Sache, die mich an Belgien beeindruckt hat, war die Sprachenvielfalt. Ich kam aus einem Land, das nur eine Amtssprache kennt. Doch nicht nur die Tatsache, dass hier drei Sprachen gesprochen werden, hat mich für Belgien begeistert. Es war der Respekt, den man den Deutschsprachigen erwidert hat. Es war der Respekt, den man unserer Kulturgemeinschaft in der belgischen Verfassung gezeigt hat. Deutschsprachige, gleichberechtigte Belgier in einem föderalen Belgien.

Und um diesen Respekt und die Gleichberechtigung der deutschsprachigen Belgier geht es auch beim IZOM.

Der 3. Punkt ist das Erfolgsgeheimnis der Belgier. Darauf bin ich besonders stolz. Es ist der belgische Kompromiss. Egal, wie schwierig Verhandlungen waren, egal wie ernst eine Regierungskrise war, die Belgier haben es stets verstanden, zum Schluss eine Einigung zu finden, die für alle annehmbar ist.

Und ja, auch beim Zugang der Deutschsprachigen zu Gesundheitsdienstleistungen im benachbarten Ausland sollte es schlussendlich einen belgischen Kompromiss geben, der die zwei zuvor genannten Punkte und das Gesetz über die Patientenrechte respektiert.

 

Meine Damen und Herren,

Sie haben sich heute hier versammelt, um über ein hohes Gut zu entscheiden: Die Gesundheit der deutschsprachigen Belgier.

Als Gesundheitsminister der DG bin ich für diese Materie nicht zuständig, aber – und ich spreche hiermit für die Regierung der DG und gewiss sogar für das Parlament – wenn ich sage: Wir sind nicht zuständig, aber betroffen.

Deshalb ist es meine Pflicht, Ihnen das zu sagen, was ich Dienstag der föderalen Gesundheitsministerin und dem LIKIV – sei es schriftlich oder mündlich – bei verschiedenen Gelegenheiten mitgeteilt habe.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist der Meinung, dass die Ostbelgier und die angrenzenden frankophonen Gemeinden das Recht haben sollen, auf Gesundheitsangebote in deutscher Sprache zurückgreifen zu können.

Insofern diese Angebote innerhalb unseres Sprachgebietes nicht oder nicht ausreichend verfügbar sind, sollten sie die Möglichkeit haben, im bisherigen IZOM-Einzugsgebiet in Deutschland darauf zurückgreifen zu können.

Es geht uns nicht um Extrawürste. Es geht uns um das Recht auf eine Gesundheitsversorgung in einer klaren und verständlichen Sprache.

Es ist manchmal schwer genug, auf Augenhöhe mit einem Arzt in der eigenen Sprache zu kommunizieren. Die meisten Menschen haben keine Medizin studiert und obschon die Ärzte sich wirklich bemühen, sind bestimmte Fachbegriffe und Behandlungsmethoden unverständlich. Umso schwieriger ist es, wenn dieser Kontakt, der eigentlich vertrauensvoll sein soll, in einer Fremdsprache stattfindet.

Das gilt für das Kind, den Jugendlichen aber auch für den Erwachsenen.

Der zweite Grund ist die Problematik der fehlenden Fachärzte in unserer Region. Auch hier geht es uns nicht um eine Sonderbehandlung. Natürlich gibt es auch in anderen Regionen Belgiens einen Ärztemangel. Die Besonderheit aber hier ist, dass dieser Ärztemangel aufgrund der Sprache verstärkt wird.

Das sind die Gründe, wieso die Mehrheit der Menschen sich in Deutschland behandeln lässt. Es geht den meisten nicht darum, kostenlos behandelt zu werden, es geht den meisten auch nicht darum, mehr zu bekommen als das, worauf andere Belgier – Frankophone oder Flamen – zurückgreifen.

Es geht darum, dass auch morgen deutschsprachige Belgier in Belgien keine Patienten zweiter Klasse werden.

 

Meine Damen und Herren,

ich begrüße es, dass die Arbeitsgruppe des LIKIV mit den Krankenkassen nach der ersten Versammlung die Entscheidung getroffen hat, eine Alternative zum IZOM-Abkommen auszuarbeiten, anstatt das Projekt gänzlich aufzugeben.

Daran habe ich mehrfach appelliert und neben dem LIKIV, Frau De Block und den Krankenkassen in Belgien auch mit der AOK gesprochen.

Ich erkenne Ihre Bemühungen an und bitte Sie darum, eine Lösung zu erarbeiten, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht und die flexibel genug ist, um gegebenenfalls angepasst werden zu können.

Es wäre der Super-GAU, wenn Dinge vergessen würden, die bereits wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung plötzlich auftauchen. Es sollte keine Härtefälle geben.

Die DG plädiert deshalb für eine Negativliste. Das bedeutet, dass nur die Leistungen aufgelistet werden sollten, für die es in Belgien keine Rückerstattung gibt. Dann besteht auch keine Diskriminierung, so wie Sie sie festgestellt haben.

Sollte es eine positive Liste sein, dann sollte diese möglichst umfassend sein und mit der Möglichkeit versehen werden, sie im Zweifelsfall recht unkompliziert zu ergänzen.

So laufen Sie nicht Gefahr, jemanden längerfristig auszuschließen.

Es ist begrüßenswert, dass neben dem LIKIV und den Landesbünden der Krankenkassen auch die regionalen Krankenkassen und die beiden Krankenhäuser heute anwesend sind, um an dieser Lösung mitzuarbeiten.

Es ist außerdem zu begrüßen, dass die regionalen Krankenkassen einen entsprechenden Vorschlag vorbereitet haben.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und eine fruchtbare Zusammenarbeit im Sinne der Gesundheit.

Vielen Dank!

 

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