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Soziale Treffpunkte in der DG


Es gilt das gesprochene Wort!

11.01.2017

20170111 Interpellation F Franzen Soziale Treffpunkte (127.1 KiB)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Kolleginnen und Kollegen,

die aktuell vier sozialen Treffpunkte der DG, das heißt das Patchwork in St. Vith, das Viertelhaus Cardijn und das Zentrum Ephata in Eupen sowie das Haus der Familie in Kelmis wurden zwischen Juni und September 2015 zum Teil vorläufig anerkannt. Bestanden haben alle vier Treffpunkte auch vor dem Inkrafttreten des Dekrets und wurden mit Ausnahme vom Patchwork in St. Vith größtenteils von der DG bezuschusst.

Wenn Sie mich nach einer Bewertung dieser Entwicklung fragen, Frau Franzen, dann muss man zunächst festhalten, dass die Treffpunkte erst seit einem bis anderthalb Jahren im Rahmen des Dekrets arbeiten.

In dieser Zeitspanne kann man eine erste Einschätzung geben, aber sicherlich keine umfassende Bewertung vornehmen.

Eine erste Bilanz

Ich denke, dass wir festhalten können, dass die sozialen Treffpunkte eine vielfältige Arbeit leisten und dass die verschiedenen Akteure, ob haupt- oder ehrenamtlich sehr engagiert sind. An dieser Stelle möchte ich mich deshalb auch bei den Verantwortlichen für ihren Einsatz bedanken.

Seit der Anerkennung der vier sozialen Treffpunkte in dieser Legislaturperiode wurden die bestehenden Angebote weitergeführt. Außerdem wurden dank des Dekrets mehr Angebote geschaffen. Letzteres gilt vor allem für das Viertelhaus Cardijn, das Haus der Familie und das Patchwork.

Die Öffnungszeiten der sozialen Treffpunkte wurden erweitert.

Der Austausch mit Partnerorganisationen wurde intensiviert oder sogar ausgebaut.

Die vier sozialen Treffpunkte haben eine Planungssicherheit. Sie sind finanziell über das Dekret abgesichert. Zuvor bekamen nur einzelne eine gewisse Unterstützung.

Diese Entwicklung hängt mit drei Faktoren zusammen.

Zum einen wurde von der DG die Erstellung einer Bestandsaufnahme gefragt. Diese Analyse hat Einblick in die Bedürfnisse der Zielgruppen ermöglicht und einen Überblick über die Angebote der verschiedenen Dienstleister verschafft. Diese Bestandsaufnahme ist also notwendig, um zu wissen, was die Menschen im jeweiligen Wirkungsbereich brauchen und was andere Organisationen oder Einrichtungen bereits ermöglichen. In der DG zählen wir nämlich eine Vielzahl an Dienstleistungen von unterschiedlichen Dienstleistern, aber wie die Uni Mons aufgezeigt hat, kennen zahlreiche Menschen diese Angebote nicht. Manchmal wissen auch die Organisationen nicht darüber Bescheid, was alles besteht. Außerdem ergibt sich dadurch die Möglichkeit der Zusammenarbeit.

Ein zweiter Faktor stellt das Konzept dar, das ausgehend von der Bestandsaufnahme erstellt wurde. Dadurch, dass die vier sozialen Treffpunkte unterschiedliche Wirkungsbereiche haben, haben sie auch unterschiedliche Konzepte. So sind im Patchwork in St. Vith Menschen mit psychischen Problemen ein besonderes Zielpublikum während das Viertelhaus Cardijn das Zielpublikum der Menschen mit Migrationshintergrund hat.
Selbst Ephata und das Viertelhaus Cardijn, die nur 1,1 Kilometer voneinander entfernt liegen, weisen Unterschiede in ihrem Konzept auf.

Zu guter Letzt wäre die Finanzierung zu erwähnen. Durch die Aufwertung im Rahmen des Dekrets kann deutlich mehr Personal beschäftigt werden. Das Viertelhaus Cardijn und das Patchwork können mittlerweile jeweils zwei Personen halbzeitig beschäftigen.

Die Zuschüsse der DG betrugen im Jahr 2014 104.000 €. Im Jahr 2017 haben wir 223.000 € im Haushalt vorgesehen. Hinzu kommt eine Beteiligung der Gemeinden in Höhe von 12,5% der Personalkosten. Die DG übernimmt also 87,5% der Personalkosten und stellt zusätzlich pro Treffpunkt 12.000 € an Funktionskosten zur Verfügung.

Soviel zu den bisherigen positiven Erfahrungen mit den sozialen Treffpunkten seit Mitte-Ende 2015.

Auf der anderen Seite haben wir aber auch Optimierungspotential festgestellt. Das ist sicherlich verständlich, da die sozialen Treffpunkte sehr schnell gewachsen sind. Außerdem hat das Dekret einen Rahmen geschaffen.

Ich werde nun zu der Weiterentwicklung der Treffpunkte etwas sagen und somit auch Ihre zweite Frage beantworten.

In den verschiedenen Begleitausschüssen mit den sozialen Treffpunkten wurde nochmal bestätigt, wie wichtig eine eigene Bestandsaufnahme und ein Konzept sind. Denn wie ich schon erwähnte, sind die Zielpubliken und somit auch die Bedarfe sowie die Angebote der jeweiligen sozialen Treffpunkte unterschiedlich.

Trotzdem werden die Koordinatoren der sozialen Treffpunkte zum Teil mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert.

Zum einen gilt es die Aufgaben zu erfüllen, die im Dekret vorgesehen sind. Dazu zählt, dass sie Ansprechpartner für die Besucher des Treffpunkts sind, dass sie die Angebote und Aktivitäten abstimmen und begleiten. Außerdem sollen sie bei Bedarf eigene Aktivitäten durchführen und die ehrenamtlichen Mitarbeiter unterstützen.

Andererseits müssen die Koordinatoren aber auch Verwaltungsarbeiten bewältigen, wie die Reservierung/Organisation von Räumlichkeiten, die Kassenführung usw. Diese Aufgaben erfordern einen nicht unerheblichen Zeitaufwand.

Ferner zeigte sich in den Begleitausschüssen, dass bestimmte im Dekret vorgegebene Aufgaben vor allem für Vereinigungen, die seit einigen Jahren existieren, Unterstützungsbedarf erfordern. Zu diesen Aufgaben zählen die Mindestangebote eines sozialen Treffpunktes oder die Schaffung neuer Angebote und Projekte in Bezug auf neue Herausforderungen der Gesellschaft und Bedürfnisse der Zielgruppen.

Es ist die Nachfrage, also der konkrete Bedarf der Bevölkerung, der ausschlaggebend für die Entwicklung eines Angebots/einer Dienstleistung ist. Es ist nicht das Angebot, das eine Nachfrage künstlich schaffen soll. Das war auch ein Gedanke des Dekrets, das einstimmig im Parlament verabschiedet wurde.

Die sozialen Treffpunkte sind Anlaufstellen für alle Bürger Ostbelgiens, egal woher sie kommen, wie alt sie sind, ob Mann oder Frau oder ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Insbesondere für Menschen in schwierigen Lebenslagen sind sie ein wichtiger Ort, an dem Begegnungen stattfinden und niederschwellige Sozialarbeit geleistet wird.

Die Arbeit der Koordinatoren und der ehrenamtlichen Mitarbeiter ist zentral. Daher erachtet die Regierung es als ihre Aufgabe, frühzeitig Unterstützung zu bieten. Aus diesem Grund habe ich diese Begleitung in Form einer Fachkraft in Auftrag gegeben.

Das Ziel besteht darin, die Koordinatoren bei der Reflexion, Strukturierung und Weiterentwicklung ihrer Arbeit in den sozialen Treffpunkten zu begleiten und sie zu unterstützen.

Hierzu schien das Institut für sozialpädagogische Forschung aus Mainz der ideale Partner zu sein.
Das Institut hat bereits die VoG Frauenliga in den Jahren 2012 und 2013 bei der Konzeptentwicklung des Hauses der Familie begleitet. Das damals erarbeitete Konzept ist im Übrigen in die Ausarbeitung des Dekrets zur Anerkennung und Förderung der sozialen Treffpunkte vom 5. Mai 2014 eingeflossen.
Zudem wird die durch das Institut angewandte Methode der Qualitätsreflexion durch kollegiale Visitation und Selbstreflexion als geeignetes Instrument zur Qualitätsentwicklung in den sozialen Treffpunkten der DG erachtet.

Eine kollegiale Visitation – sprich das gegenseitige Besuchen der sozialen Treffpunkte durch die Koordinatoren und das gegenseitige Feedback – ermöglicht einen Austausch zwischen den sozialen Treffpunkten und eine gemeinsame Reflexion der Arbeit. Erfolgreiche Angebote können als Best-Practice-Beispiele dienen. Bei problematischen Angeboten kann gemeinsam nach Lösungen gesucht werden.
Zudem ist langfristig eine weiterführende Supervision der Koordinatoren sowie eine regelmäßige Reflexion in Begleitung des Instituts angedacht.

Ich möchte hier eine Klammer aufmachen, um auf Ihre dritte Frage einzugehen. Darin sagen Sie, dass Sie im Gespräch mit den Treffpunkten erfahren haben, dass administrative Aufgaben, die Öffentlichkeits-, die Planungs- und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren den Großteil der Arbeit der Koordinatoren ausmachen. Diese wollen Sie nun zu Gunsten der Animationsarbeit eingegrenzt wissen.

Auch ich führe regelmäßig Gespräche mit Koordinatoren oder mit Verwaltungsratsmitgliedern der Treffpunkte. Darüber hinaus haben wir die Begleitausschüsse. Diese Rückmeldungen waren ausschlaggebend für die zusätzliche Begleitung, die in Auftrag gegeben wurde.

Aber um etwas über die Aufgaben der Koordinatoren zu erfahren, genügt es das Dekret zu Rate zu ziehen, dass Ihre Fraktion mitausgearbeitet hat. In Artikel 1 Punkt 7 des Dekrets wird der Begriff Koordinator wie folgt definiert:

„Qualifizierte Person, die Ansprechpartner für die Besucher des Treffpunkts ist und die Angebote sowie Aktivitäten des Treffpunkts abstimmt und begleitet. Der Koordinator führt bei Bedarf selber Aktivitäten durch und begleitet die ehrenamtlichen Mitarbeiter des sozialen Treffpunkts.“

Diese Fachkräfte entwickeln, koordinieren und begleiten die Angebote der sozialen Treffpunkte und die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die diese Angebote durchführen.

Die Organisation und Verwaltung der sozialen Treffpunkte sowie als professioneller Ansprechpartner für die Ehrenamtlichen und die Besucher der sozialen Treffpunkte zu fungieren, ist die tägliche Arbeit der Koordinatoren.

Die Koordinatoren sollen also nur bei Bedarf die Aktivitäten selbst durchführen. Sie sind also keine Animatoren. Sie sollen aber auch nicht den Tätigkeitsbericht erstellen. Das ist Aufgabe des Verwaltungsrates.

Derlei Missverständnisse sind aber inzwischen bekannt und deshalb soll in der Tat – wie ich schon erwähnte – im Zuge der in Auftrag gegebenen Begleitung auch die Rolle der Koordinatoren näher unter die Lupe genommen werden. An dieser Stelle möchte ich die Klammer schließen und nochmal auf die erste Frage zurückkommen.

Eine weitere Feststellung, die wir gemacht haben ist, dass das einstimmig verabschiedete Dekret vereinzelt hohe Ansprüche stellt, die nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Da Ecolo sich maßgeblich an der Erstellung dieses Dekrets beteiligt hat, werden Sie sich erinnern, Frau Franzen, dass für die Koordinationsstelle ein Bachelordiplom als Mindestanforderung gestellt war. Gleichzeitig ist aber der Fachkräftemarkt im vorliegenden Fall leer gefegt. Außerdem hat die Erfahrung gezeigt, dass ein Bachelordiplom nicht notwendig ist, wenn die Person über ausreichend Berufserfahrung verfügt. In diesem Fall entsprach der Qualitätsanspruch nicht dem realen Bedarf. Deshalb habe ich den Vorschlag gemacht, die Qualifikationsanforderung auf das Niveau Abitur zu senken, wenn eine dreijährige Berufserfahrung im Sozialbereich vorliegt. Diesen Vorschlag hat das Parlament mit der Anpassung des Dekrets im Rahmen des Programmdekrets 2016 aufgegriffen.

Ein weiterer Aspekt war die Erstellung des Tätigkeitsberichts. Auch hier gab es verschiedene Fragen zu dieser Vorgabe. Um die sozialen Treffpunkte zu unterstützen, haben wir mithilfe einer Vorlage und eines Rasters die Erfüllung dieser Bedingung vereinfacht.

Der letzte Punkt betraf die Verträge. In den Begleitausschüssen von Juni 2016 wurde vermerkt, dass die Annehmbarkeit bestimmter Funktionskosten, bspw. für die Buchführung nicht möglich war, wenn eine Person, zum Beispiel ein Rentner, zwar einen Beleg vorlegen konnte, aber nicht als Selbstständiger gemeldet war. Auch hier haben wir eine Anpassung vorgenommen und Flexibilität ermöglicht.

Ich möchte hier erneut eine Klammer aufmachen und auf Ihren Vorschlag zur Belegung der Funktionskosten eingehen. Darauf gehen Sie in Ihrer vorletzten Frage ein.

Ich bin stets offen für Vorschläge, die der Verringerung des Verwaltungsaufwandes dienen. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir demnächst Pauschalzuschüsse auszahlen werden, ohne deren sachlichen Einsatz zu überprüfen. Die Zweckbestimmung der Mittel, und es sind öffentliche Mittel, also Steuergelder, muss klar sein. Auch der Rechnungshof erwartet zunehmend, dass die Zuschüsse mit effektiven Kosten in Verbindung gebracht werden. Es genügt nicht, als Grund „soziale Zwecke“ anzugeben. Einen Blankoscheck kann und wird es also nicht geben.

Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass wir den administrativen Aufwand anhand eines Rasters vereinfachen. Dort werden alle Funktionskosten aufgelistet. Eine Überprüfung der Belege könnte vor Ort stattfinden. Aber über diesen Punkt haben die Vertreter der Treffpunkte in den Begleitausschüssen nicht gesprochen. Wenn es diese Hürde gibt, dann sollten sie das beim nächsten Begleitausschuss mitteilen. Nur so können wir sinnvolle Vereinfachungen vornehmen.

Zusammenfassend

Grundsätzlich fällt das erste Fazit positiv aus. Der Rahmen des Dekrets ermöglicht also die Entwicklung und Weiterentwicklung von bedarfsorientierten Angeboten. Anders ausgedrückt: Er ist flexibel und hat den sozialen Treffpunkten gute Bedingungen ermöglicht.
Gleichzeitig gab es und gibt es aber Optimierungspotential. Das gilt für die Arbeit der Treffpunkte wie auch für die Politik. Erste Änderungen haben wir bereits über das Programmdekret vorgenommen, weil sie meiner Meinung nach dringend notwendig waren. Weitere werden wir bei Bedarf vornehmen.

Ich erachte die Arbeit der Koordinatoren für besonders wichtig. Sie ist vielfältig, aber vor allem komplex und zeitintensiv. Damit sie auch in Zukunft zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger professionell geleistet werden kann, bedarf es einer Begleitung. Ich möchte, dass wir die Koordinatoren so unterstützen, dass sie ihre gute Arbeit fortsetzen und verbessern können. Deshalb erfolgt auch die Qualitätsbegleitung. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in einem Abschlussbericht des Instituts im Herbst 2017 veröffentlicht.

Diese möchte ich auch abwarten, bevor wir über die weitere Gestaltung der Verträge sprechen. In einem ersten Schritt wurde eine strukturelle Absicherung und Förderung der sozialen Treffpunkte über das Dekret ermöglicht. Weitere Planungssicherheit könnte ich mir vorstellen zu schaffen, indem wir mehrjährige Verträge abschließen. Aber dazu bedarf es, wie gesagt, der Erkenntnisse aus dem Jahr 2017.

Auch könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass nicht nur bestehende Treffpunkte sich weiterentwickeln werden, sondern dass auch neue Standorte entstehen. Aktuell befinde ich mich im Gespräch mit einer Gruppe aus Eynatten.

Ich denke, dass ich damit abschließend eine Antwort auf Ihre letzte Frage geliefert habe.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

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