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WLAN und Mobilfunk nicht gesundheitsschädigend


Antwort des Herrn Ministers ANTONIADIS auf die Interpellation von Herrn BALTER (VIVANT) bezüglich des Gesundheitsrisikos durch schädliche elektromagnetische Strahlen von Mobiltelefonen und WLAN, insbesondere in den Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten der DG

Es gilt das gesprochene Wort!

04- 02122015 Interpellation WLAN Und Mobilfunk (286.4 KiB)

02.12.2015

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Kolleginnen und Kollegen,

die Angst vor der Technik ist nicht neu. Sie begleitet uns seit Menschengedenken. Erfindungen haben stets eine Schattenseite gehabt. In der Antike wurde die Angst vor dem Fortschritt in Mythen und Überlieferungen verarbeitet. Ich denke zum Beispiel an den Titanen Prometheus, der von den Göttern dafür bestraft wurde, weil er den Menschen das Feuer, den Inbegriff des technologischen Fortschritts, brachte.

Wirft man einen Blick auf das Mittelalter, so verfestigt sich dieses Bild. Erfindern, Mechanikern und Baumeistern von großen Werken sagte man nach, mit dem Teufel paktiert zu haben. Dunkle Mächte und Interessen verbargen sich hinter den Erfindungen.

Mit der Industrialisierung gewann die Technik immer mehr an Bedeutung. Der technologische Wandel schien unaufhaltsam zu sein. Über die Erfindung der Dampfmaschine wurde sogar von Ärzten im 19. Jahrhundert behauptet, sie würde Gehirnkrankheiten und Lungenentzündungen verursachen. Die Eisenbahn würde mit vollkommen wahnsinniger Geschwindigkeit von 30 oder gar 40 Km pro Stunde rasen. Pfarrer schimpften vor der Kanzel, dass die Eisenbahn ein Ding des Teufels wäre.

Da wir uns zu einer Wissensgesellschaft entwickeln, scheint der Fortschritt unaufhaltsam zu sein. Die technologischen Möglichkeiten verstärken diesen Prozess. Mit der Erfindung des Computers, des Internets und der kabellosen Übertragung von Daten und Informationen haben wir das digitale Zeitalter erreicht. Diese Erfindungen haben nicht nur die Arbeits- und Lernwelt, sondern auch das Miteinander maßgeblich geprägt.

Die Einwände gegen die Technik scheinen einem kulturell-gesellschaftlichen Muster zu entspringen. Denn bis heute gibt es eine Angst vor Veränderungen, die unsere bis dato bekannte Welt in Frage stellen. Deshalb versperren sich manche Menschen dem Wandel.

Wir können in der DG diese Veränderungen ablehnen und uns digital abschotten. Sie sagten, dass Ihre Eltern es gut hatten, aber Ihre Großeltern noch mehr, weil es nur zwei Telefone in der Ortschaft gab. Das können wir vielleicht auch. Die Deutschsprachigen wären dann die belgischen „Amish“. Die Amish sind eine Glaubensgemeinschaft in den USA, die den technologischen Fortschritt ebenfalls ablehnen. Auch sie lehnen ähnlich wie Vivant Impfungen und andere medizinische Errungenschaften ab. Weitere Parallelen zu Glaubensgemeinschaften erspare ich Ihnen.

Ja, wir könnten versuchen, diesen Wandel aufzuhalten, aber ich bezweifle, ob diese Maßnahmen erstens fruchten würden und zweitens, ob die daraus entstehende digitale Kluft die Bildungschancen und Zukunftsperspektiven der Bürgerinnen und Bürger in der DG verbessern würde. Vor diesem Hintergrund ist die Medienkompetenz, und damit meine ich keineswegs die exzessive Nutzung der neuen Medien, ein Muss.

Wenn ich ehrlich bin, Herr Balter, ich möchte den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Ich glaube an die Eigenverantwortung des Individuums. Ich sehe allerdings unsere Aufgabe als Staat darin, gemäß dem Vorsorgeprinzip die nötigen Informationen und Mittel zur Verfügung zu stellen. Gerade bei der Fülle an Daten, die uns dank der modernen Technologie und den drahtlosen Verbindungen überall und jederzeit zur Verfügung stehen, ist es wichtig, einen Überblick zu bieten. Weniger ist dabei manchmal mehr.

Kommen wir nun zu Ihren Fragen:

Das Regionale Entwicklungskonzept (REK) ist nicht das universale Nachschlagewerk für sämtliche Fragen, mit denen sich die Politik beschäftigt. Sie werden deshalb vergeblich Wörter wie „Aluminium“, „Feinstaub“, „Bisphenol A“, „Glyphosat“ oder „elektromagnetische Strahlen“ darin finden. Das REK ist nicht Wikipedia und auch nicht der Info-Kopp-Verlag. Das REK ist unser Instrument für die Regionalplanung bis in das Jahr 2025. Es ist wie ein Kompass, der die Richtung zu einem Ziel zeigt. Im Laufe der Zeit wird, wie so oft bei einer Reise, nachjustiert, das Ziel bleibt aber dasselbe.

Im REK setzen wir uns mit der Zukunftssicherung der beiden Krankenhäuser auf dem Gebiet deutscher Sprache und mit der Absicherung der medizinischen Grundversorgung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft auseinander. Hier können wir bereits erste konkrete Schritte aufweisen. Am Montag unterzeichneten das St. Nikolaus Hospital Eupen, die Klinik Sankt Josef St. Vith und das CHC Lüttich ein strategisches Rahmenabkommen.

Dieses Abkommen zielt darauf ab, den Zugang zu spezialisierten Leistungen von Qualität für die Ostbelgier zu ermöglichen, Fachleute, die wir dringend brauchen, anzuwerben und die Weiterentwicklung des Personals zu fördern.

Ich habe den Krankenhäusern vorgeschlagen, Anfang 2016 ihr Abkommen im Ausschuss IV vorzustellen.

Parallel arbeiten wir an der Schaffung gemeinsamer Dienste für Eupen und Sankt Vith, die von einer gemeinsamen Struktur verwaltet werden sollen. Mit diesen Maßnahmen möchten wir eine wohnortsnahe Grundversorgung von Qualität und möglichst in deutscher Sprache gewährleisten, obwohl die DG bekanntlich nicht für die Krankenhausfinanzierung zuständig ist.

Außerdem starten wir in 2016 mit der Gesundheitsplanung, um die Ist-Situation der Versorgung in der DG zu analysieren. Dabei geht es um die Entwicklung eines Pflegenetzwerkes aus vor- und nachgeschalteten Maßnahmen für das Gebiet der DG. Im Idealfall werden wir in der Zukunft von der Prävention bis hin zur Nachbetreuung der Menschen ein integriertes Pflegenetzwerk haben.

Stichwort Prävention! In 2016 werde ich dem Parlament ein neues Präventionskonzept vorlegen, da das bestehende aus dem Jahr 2003 stammt und spätestens mit der 6. Staatsreform überholt ist.

Eine wichtige Rolle bei der Prävention sollen nach meiner Auffassung neben den bestehenden Dienstleistern, auch die Ärzte und vor allem die Krankenkassen spielen. Hier könnte ich mir eine ähnliche Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand wie in Deutschland gut vorstellen.

Zu Ihrer zweiten und dritten Frage: Fakt ist, dass bis heute kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Nutzung eines Mobiltelefons bzw. einer WLAN-Verbindung und Tumoren oder anderen Gehirnerkrankungen bewiesen wurde. In ihrer Interpellation sprechen Sie allgemein von elektromagnetischer Strahlung, doch muss man zunächst zwischen ionisierender und nicht ionisierender Strahlung unterscheiden. Zur ersteren, in hohen Mengen eindeutig gefährlichen, Variante gehört die radioaktive Strahlung. Nicht-ionisierende Strahlungen wie die vom Mobilfunk können die Moleküle nicht dauerhaft verändern oder zerlegen.

Ich bin genauso wenig ein Physiker oder Biologe, wie Sie es sind. Für unsere Politik müssen wir uns auf die Meinung von Fachleuten verlassen.

Auf Nachfrage beim Forschungsinstitut für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (FEMU) der RWTH Aachen wurde mir bestätigt, dass es keine wissenschaftlich fundierte Studie gibt, die einen gesundheitsschädigenden Zusammenhang nachweisen kann. Im Jahr 2016 wird das Institut eine neue Publikation zu diesem Thema veröffentlichen. Die Kontaktperson, Frau Dr. Sarah Drießen, verriet mir, dass der Bericht auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Ergebnis kommen wird, dass WLAN und Mobilfunk keine belegten Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, unbegründet Ängste zu schüren. Auf Grundlage der Klassifizierung von der WHO – zur besagten Kategorie 2B gehört übrigens auch Kaffee – weisen wir auf ein Restrisiko hin, das wie bereits gesagt, bis heute nicht begründet wurde.

Wie erfolgt die Information? Zum einen u.a. auf der DGlive-Seite, oder über die Dienste, die Präventionsarbeit leisten. Ich denke zum Beispiel an die Verbraucherschutzzentrale (VSZ), die zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ in ihrem Magazin informiert hat und dieses Thema sicherlich auch in Zukunft aufgreifen wird.

Ich denke aber auch an den Patienten Rat & Treff (PRT), der in diesem Jahr einen Vortragsabend zum Thema Elektrosmog organisiert hat. Dieser war allerdings eher mäßig besucht. Beim PRT erhält man außerdem Informationsbroschüren des Hohen Rates für Gesundheit.

Proximus ist ein Anbieter von Produkten und Dienstleistungen. Bei dem Treffen mit der Regierung ging es um den Ausbau der Infrastruktur in der Deutschsprachigen Gemeinschaft und die Dienstleistungen in deutscher Sprache, so wie es die Bürgerinnen und Bürger der DG wünschen. Übrigens weisen Sie in Ihrer Interpellation auf die Gefahr hin, die vom Ausbau der Infrastruktur, sprich der Antennen, ausgeht. Abgesehen davon, dass die Menschen in Ostbelgien, und gerade in der Eifel, zurecht über den schlechten Empfang schimpfen, der nicht nur im Alltag, sondern gerade in Notfällen wichtig ist, müssten Sie eigentlich wissen, dass der Ausbau der Infrastruktur die Strahlenbelastung, die vom Endgerät ausgeht, reduziert und nicht verstärkt. Je näher das Endgerät, zum Beispiel ein Handy, zur Quelle steht, umso weniger muss es leisten. Ist es weiter weg, dann setzt es mehr Strahlung frei, aber auch dann überschreitet es nicht die vorgegebenen Grenzwerte.

Die Informationen, die auf der DGLive-Seite zu finden sind, sind aktuell. Die Richtlinie 2014/53/EU wurde zwar am 22.05.2014 im Amtsblatt veröffentlicht, jedoch haben die Mitgliedstaaten bis zum 13.6.2016 Zeit, diese auf Landesebene umzusetzen. Erst zu diesem Datum wird die neue Richtlinie die Richtlinie 1999/5/EG ablösen. Zum gleichen Thema ist auch auf der DGLive-Seite das Dossier „Elektromagnetische Felder und Gesundheit – Ihr Wegweiser durch die elektromagnetische Landschaft“ des Föderalen Öffentlichen Dienstes Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt aus dem Jahre 2012 wieder zu finden.

Die geschilderte Fehlermeldung könnte mit der Aktualisierung der DGlive-Seite zusammenhängen. Seit Oktober haben wir eine komplett neue Seite, die deutlich nutzerfreundlicher ist als die alte und den neuesten Standards entspricht.

Bei der Übertragung der Daten kann es zu Fehlermeldungen kommen. Da die DGlive-Seite sehr umfassend ist, sind solche Probleme nicht ungewöhnlich. Für Hinweise sind wir weiterhin dankbar. Denn auch ohne Relaunch kann es dazu kommen, dass Links nicht funktionieren, weil die verschiedenen Anbieter von Informationen ihre Webportale ebenfalls anpassen. Weitere Fragen zur Kommunikation und Außendarstellung können Sie dem zuständigen Minister stellen. Meine Fachbereiche sind aber sehr bemüht, die Inhalte im Rahmen des verfügbaren Personals zu aktualisieren.

Vergessen Sie nicht, dass meine Ministerkollegen im Inland für die gleiche Arbeit im Bereich Gesundheit zum Beispiel jeweils über 100 Mitarbeiter in der Verwaltung haben – von Kabinetten spreche ich hier nicht. Unsere ganze DG-Verwaltung verfügt über 262 Mitarbeitern. Wenn Sie mit dieser wiederholten Bemerkung der Meinung sind, dass der Fachbereich Gesundheit angesichts der enormen Herausforderungen, die wir gerade im Bereich der Prävention bewältigen wollen und müssen, über mehr Personal verfügen müsste, dann sprechen Sie es doch deutlich aus, anstatt es so zu verklausulieren.

Ich bin mir sicher, dass die Fachbereichsleitung gerne mehr Personal haben würde, aber ich denke, dass wir mit weniger zurechtkommen müssen und sollten. Auch bei der Erweiterung der Dienststelle denke ich nicht daran, 800 Beamte zu beschäftigen, wie das in der Wallonie bei der Schaffung der großen Sozialagentur angedacht ist – das können Sie heute im „Le Soir“ lesen.

Weder Kaleido noch das Perinatale Zentrum informieren momentan ausdrücklich über Auswirkungen des Mobilfunks. Dr. Van der Putten, Gynäkologe an der Klinik St. Josef und Verantwortlicher beim Perinatalen Zentrum weist ebenfalls darauf hin, dass es bisher keinen Beweis dafür gibt, dass der Mobilfunk gefährlich für die Gesundheit ist.

In beiden Kinderkrippen der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt es keine WLAN-Verbindung. Für die Mitarbeiter gibt es außerdem ein Festnetztelefon. Was die Nutzung von Handys durch Kinderbetreuer und Tagesmütter angeht, so gilt es generell, dass die Strahlung schon nach wenigen Zentimetern vom Endgerät, das sich zum Zeitpunkt der Nutzung am Ohr befindet, auf ein Hundertstel absinkt. Wenn Sie Fragen hierzu haben, dann wenden Sie sich an das Bundesamt für Strahlenschutz.

In einer neuen Broschüre für die Tagesmütter, die momentan erstellt wird und Tipps zur sicheren Betreuung der Kinder enthält, wird auch auf eine vorsichtige Nutzung von Mobilgeräten hingewiesen.

Was die Ansiedlung von Antennen bzw. von Kinderkrippen, Krankenhäusern, Altenheimen in der Nähe von Antennen angeht, legt die Wallonische Region als zuständige Behörde für Umwelt und Raumordnung Normen fest, die auf der europäischen Richtlinie basieren.

Für die Überprüfung der Geräte sind wir nicht zuständig. Aber generell: Es sind neue Geräte und diese respektieren demzufolge die vorgegebenen Grenzwerte.

Sollten in Zukunft wissenschaftlich fundierte Beweise auf eine Gesundheitsgefährdung schließen lassen, werden wir nach sorgfältiger Auswertung dieser Informationen die nötigen Maßnahmen ergreifen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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