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150 Jahre Marienheim – Bald rollen die Bagger


Raeren, den 19. Juni 2015

20150617 Redevorbereitung Marienheim Für Die Presse (158.4 KiB)

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie sind bereits in den Genuss mehrerer sehr interessanter Redebeiträge gekommen. Da ich Ihre Aufmerksamkeit nicht allzu sehr strapazieren will, werde ich mich einigermaßen kurz fassen; zumindest das, was ein Politiker unter „sich kurz fassen“ versteht.

Zunächst einmal möchte ich mich herzlich für die Einladung bedanken, schließlich ist der heutige Anlass ein besonderer. Man wird nicht alle Tage 150.. Und ich bin sehr froh, heute dabei sein zu können.

Das Thema Senioren und Seniorenpolitik beschäftigt mich in den letzten Wochen und Monaten ganz besonders. Und das liegt nicht daran, dass ich seit meinem 30. Geburtstag jeden Morgen ein neues graues Haar auf meinem Kopf finde. Nein, es liegt daran, dass dieses Thema immer mehr in den Fokus der Gesellschaft rückt.

Denn es stimmt! Wir haben es heute oft gehört: Der medizinische Fortschritt hat dazu geführt, dass einige früher unheilbare Krankheiten nun wirksam bekämpft werden können und die Menschen, die auch immer mehr auf ihre Gesundheit achten, leben durchschnittlich länger. Nicht nur in Fachkreisen wird vom demografischen Wandel gesprochen – Nicht selten sind die Aussagen negativ und erinnern an Untergangsszenarien aus futuristischen Filmen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die den demografischen Wandel als Schreckgespenst sehen. Und ja, Herr Duyster, ich betrachte ihn gewiss als Herausforderung für die nächsten 30 bis 40 Jahre, nicht als Problem. Denn wer nur Probleme sieht, der sieht auch den Wald vor lauter Bäume nicht mehr. Die Tatsache, dass wir länger und gesünder leben, ist ein Fortschritt, eine bemerkenswerte Errungenschaft, auf die niemand verzichten möchte. Oder kennen Sie jemanden, der nicht lange und gesund leben möchte?

Natürlich hat diese positive Entwicklung auch eine Kehrseite. Altersbedingte Krankheiten wie beispielsweise Demenz treten verstärkt auf. Und auch die Mangelernährung von Senioren, nachweislich die am weitesten verbreitete Alterskrankheit, stellt Angehörige sowie Fachkräfte und Altenpfleger vor große Herausforderungen.

Und natürlich steht auch die Politik in der Verantwortung. Wir müssen den strukturellen Rahmen ermöglichen, innerhalb dessen das Fach- und Pflegepersonal in den Alten und Pflegeheimen, die pflegenden Angehörigen, die Dienste für die Heimpflege und nicht zu vergessen die zahlreichen Ehrenamtlichen bestmöglich arbeiten können. Daran arbeiten wir sehr intensiv.

Denn mit der 6. Staatsreform übernimmt die DG auch die Verantwortung für die Altenheimfinanzierung. Damit können wir zusammen mit den Einrichtungen ein speziell auf unsere kleine Gemeinschaft maßgeschneidertes Angebot zusammenstellen, das auf die Bedürfnisse der Senioren in unseren 9 Gemeinden abgestimmt ist: Unser Ziel muss sein, den Verwaltungsaufwand zu verringern, die Mixität der Bewohner zu begünstigen, die Qualität der Pflege weiter auszubauen und Synergien unter den Altenheimen zu fördern. Wir haben überhaupt die Chance, eine kohärente Seniorenpolitik zu betreiben. Eine erfolgreiche Seniorenpolitik besteht darin, die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Bevölkerung zu erkennen und darauf zu reagieren. Und genau das machen wir im Rahmen des Regionalen Entwicklungskonzeptes. Wir reagieren auf die demografische Entwicklung und den Wunsch der Leute möglichst lange zuhause leben zu können.

Laut einer Studie aus dem Jahre 2010 will eine überwältigende Mehrheit der Senioren in den eigenen vier Wänden alt werden. In der DG leben 85% der 80- bis 99-Jährigen zuhause. Bei den 60- bis 79-Jährigen sind es sogar 98%. Und natürlich unterstützt die öffentliche Hand durch die Angebote in der häuslichen Hilfe und Pflege und der Wohnungsanpassung diesen Wunsch. Denn jeder Mensch sollte seinen Lebensabend so verbringen können, wie er möchte. Die Würde des Menschen ist unantastbar, haben wir im ersten Redebeitrag gehört. Und zu einem würdevollen Altern gehört auch und vor allem die Selbstbestimmung.

Neben dem Ausbau der nicht stationären Hilfe, möchten wir auch die Angebote im wohnortsnahen Umfeld und alternative Wohnformen wie Seniorenwohngemeinschaften fördern. Bald starten wir in Eupen mit dem ÖSHZ ein Pilotprojekt. Bei der künftigen Seniorenpolitik werden wir noch enger mit den Gemeinden arbeiten, um möglichst gut auf den Bedarf vor Ort reagieren zu können. Denn die Bedürfnisse in Eupen oder Raeren sind andere als die in Burg-Reuland oder Bütgenbach.

Doch in vielen Fällen ist ab einem gewissen Punkt ein eigenständiges Leben zu Hause nicht mehr möglich. Und genau an diesem Punkt greift das Angebot der Alten- und Pflegeheime. Dieses Angebot gilt es, zu stärken und dort, wo es nötig ist, es auch auszubauen. Deswegen wird in Kelmis ein neues Altenheim entstehen. Die Genehmigung für den Bau der Plätze habe ich vor wenigen Tagen unterzeichnet. Deswegen geht es bald in Bütgenbach und Eupen los und Astenet könnte noch folgen. Doch dabei ist Vorsicht geboten. Denn schlimmer als volle Heime sind leere Betten – die Experten aus dem Sektor verstehen sicherlich, was ich damit meine.

Bei einigen Betroffenen kommt schon beim Gedanken an einen Umzug in ein Altenheim manchmal die Angst auf, abgeschoben und vernachlässigt zu werden beziehungsweise an Autonomie zu verlieren. Doch wenn ich an die Einrichtungen in der DG und ganz speziell an das Marienheim denke, dann weiß ich, dass diese Angst unbegründet ist.

Denn Raeren ist nur für die Töpferei, den Schnaps  und inzwischen auch für den Whisky, sondern auch für das Raerener Marienheim.

Wenn ich an das Marienheim denke, denke ich an einen Ort der Begegnung, der Geborgenheit und der Heimat. Ich denke an einen Ort, an dem man seinen Lebensabend mit der Würde genießen kann, die jeder Mensch verdient.

An dieser Stelle möchte ich Patrick Laschet und seinem Team, das heute selbstverständlich nicht vollzählig anwesend sein kann, ein großes Lob und meinen Dank aussprechen. Aber ich sehe übrigens im Hintergrund den großen Banner mit allen Gesichtern und Namen. Eine nette Geste, die eines aussagt: „Wir sind ein Team, wir sind wichtig, wir stehen zu unserem Haus, auch wenn wir heute bei den Menschen sind, die am allerwichtigsten sind: Bei den Bewohnern unseren Hauses“. Ich möchte Ihnen meinen Dank und mein Lob aussprechen, denn, dass das Marienheim so ist, wie es ist, verdankt es Ihnen allen. Sie sind stets offen für innovative Pflegekonzepte und Projekte und scheuen weder den Wandel noch die Herausforderungen.

Mein Dank und Glückwunsch richtet sich aber auch ganz besonders an die Förderer des Marienheims und die ehrenamtlichen Kräfte, die ihre Zeit für ihre Mitmenschen aufopfern. Überhaupt wäre ohne das ehrenamtliche Engagement vieles im Sozialbereich unmöglich. Zahlreiche Dienste und Dienstleistungen wären ohne die Solidarität, die auch hier in Raeren spürbar ist, unbezahlbar.

Deswegen möchte ich im Monat Juli meine Zeit den Ehrenamtlichen im Sozialbereich widmen.  Wenn Sie jemanden kennen, der sozial engagiert ist oder vielleicht sind Sie selbst aktiv, dann nehmen Sie Kontakt mit mir auf. Ich möchte die Arbeit, das Selbstverständnis und die Herausforderungen im sozialen Engagement kennenlernen. Aber genug dazu. Meine Kollegin, Frau Isabelle Weykmans, wird gleich ganz besonders auf die Bedeutung des Ehrenamts und ihre Arbeit in der Regierung eingehen.

Zu guter Letzt habe ich für den heutigen Anlass ein Zitat der schwedischen Schriftstellerin Lagerlöf mitgebracht:

„Aus einem Altenheim kann man entweder ein Wartezimmer des Todes oder einen Ruheraum des Lebens machen, das hängt vom Bauherrn ab.“

Ich denke, dass dieses Zitat, gemeint ist der zweite Teil, perfekt auf das Marienheim passt.

Ich würde noch etwas verkünden, verriet der Bürgermeister. Ja, das stimmt: „Jetzt kommt die Pause. Guten Appetit!“

Nein, das ist es natürlich nicht. Ich  schulde Ihnen noch eine letzte Aussage. . Apropos „Bauen“! Momentan werden die letzten Formalitäten geklärt und dann… rollen die Bagger!

Vielen Dank!

Geschlossen.

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