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Interpellation zu den Tagesmüttern in der DG


Antwort von Minister Antoniadis

Eupen, den 01. April 2015

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Ausschusses,
werte Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte auf eine allgemeine Einleitung verzichten und direkt auf die drei Fragen eingehen, die Frau Franzen eben gestellt hat.

1. Bauen auch Sie weiterhin auf Tagesmütter für die Kinderbetreuung in der DG?

Natürlich setzen wir in der Kleinkindbetreuung weiterhin auf die Tagesmütter. Sie betreuen bereits jetzt eine bedeutende Anzahl Kinder in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, damit sowohl Väter als auch Mütter die Möglichkeit haben, ihrem Beruf oder ihrer Ausbildung nachzugehen.
Mit der Kleinkindbetreuung versuchen wir die Familien zu unterstützen und arbeiten so an der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich bin sehr froh Frau Franzen, dass wir uns in diesem Punkt einig sind.

Überhaupt bin ich sehr froh darüber, dass in Sachen Kleinkindbetreuung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft mittlerweile politischer Konsens besteht. Ich habe mir erlaubt, in den alten Parlamentsdokumenten zu stöbern und in den Artikeln des GrenzEcho. Das klang früher einmal ganz anders.

Die Kleinkindbetreuung wurde heftig und kontrovers diskutiert. Von der Zerstörung der Familie und familiärer Werte war die Rede. Die Befürworter der ersten Stunde mussten sich einiges anhören. Ich traue mich nicht zu wiederholen, welche Böswilligkeiten zum Teil ausgesprochen wurden. Zum Glück haben die Pioniere sich nicht davon abhalten lassen und zum Glück wuchs mit den Jahren die Unterstützung und Anerkennung der Kinderbetreuung in der DG. So können wir heute behaupten, mit fast 35% die höchste Betreuungsquote in Belgien aufweisen zu dürfen.

Das haben wir unter anderem durch die Beschäftigung von Tagesmüttern erreicht, die heute eine tragende Säule unserer Kleinkindbetreuung sind.
Damit das auch in Zukunft so bleibt, beschäftigen wir uns im REK II, das im Mai der Öffentlichkeit vorgestellt wird, mit dem weiteren Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes.
Neben dem Angebot einer umfassenden und bedarfsgerechten Kinderbetreuung ist auch die Aufwertung der Tagesmütter Ziel des Zukunftsprojektes „Wir bauen auf Familie“. Dies setzt die Schaffung mehrerer Formen der Kinderbetreuung voraus. Die beiden Erlasse vom 22. Mai 2014 über die Dienste und andere Formen der Kinderbetreuung sowie über die selbstständigen Tagesmütter/väter schaffen bereits die rechtliche Grundlage für neue Formen der Kinderbetreuung. Ich denke da beispielsweise an die Minikrippen, den Kinderhort oder auch die selbstständigen Co-Tagesmütter.
Die Arbeit ist jedoch mit großen Herausforderungen verbunden. Den Tagesmüttern wird somit sehr viel Engagement abverlangt. Davon konnte ich mich übrigens kürzlich selbst überzeugen, als ich einen halben Tag lang eine Tagesmutter als Tagesvater begleiten durfte.

2. Was haben Sie bereits getan oder was werden Sie tun, um Tagesmüttern ein angepasstes Einkommen und vernünftigere Arbeitsbedingungen zu sichern?
Der eben angesprochene Ausführungserlass vom 22. Mai 2014 über die selbstständigen Tagesmütter trat am 1. September 2014 in Kraft. Der Erlass für alle anderen Betreuungsformen am 1. Januar 2015.
Sowohl das einstimmig beschlossene Dekret vom 31. März 2014 sowie die beiden Ausführungserlasse hatten in erster Linie das Ziel, der qualitativen Kinderbetreuung ein Gesicht zu geben und den Entwicklungen der letzten Jahre Rechnung zu tragen.

Darüber hinaus wurde aber auch darauf geachtet, eine Gleichstellung der Anforderungen sowie der finanziellen Entschädigungen bei konventionierten und selbstständigen Tagesmüttern zu erreichen.
Dies hat u.a. dazu geführt, dass die selbständigen Tagesmütter im Vergleich zum vorherigen Erlass seit dem 1. September 2014 nun Anrecht haben auf:
• eine Prämie für Weiterbildungen (108,90 €/Jahr/STM)
• einen Erstausrüstungszuschuss (200 €/STM),
• einen Ausrüstungszuschuss (150 €/STM/6 Jahre)
• einen Zuschlag für die Betreuung von Kindern mit Behinderung oder besonderem Pflegebedarf (5,55 €/9,26€/Tag).
Die selbstständigen Tagesmütter erfahren somit seit einem halben Jahr bereits eine finanzielle Aufbesserung für gewisse Leistungen und Anschaffungen.
Die konventionierten Tagesmütter erhielten diese Vorteile bereits in Form von finanziellen Zuschlägen oder durch Zurverfügungstellung von Kinderbetreuungsmaterial.
Um die Teilnahme der Tagesmütter an Weiterbildungen besser zu honorieren, wurde der Teilnahmebetrag von 38 € auf 108,90 €/Jahr/TM angehoben und zukünftig indexiert. Sie übersteigt damit auch eine Anfrage der Vereinigung der Tagesmütter (VTO) aus dem Jahre 2012, die eine Vergütung von 60€ anstrebte.
Der Punkt „erlaubte Abwesenheiten“ wurden mit der VTO und dem RZKB bei den Gesprächen zum Erlassentwurf besprochen. Die Tagemütter forderten eine Rückkehr zur alten Regelung aus dem Jahre 1999. Das RZKB befürchtete hier eine starke Gegenwehr der Eltern. Der Fachbereich hatte einen Kompromissvorschlag zwischen der alten Regelung und der des Erlasses von 2007 ausgearbeitet. Da kurzfristig jedoch kein Konsens gefunden werden konnte, wurde die bisherige Regelung des Erlasses von 2007 in dem neuen Erlass beibehalten.
Ich bin allerdings bereit, diese Thematik erneut mit den TM und dem RZKB zu besprechen, um eine für alle Seiten vertretbare Lösung zu finden. Unabhängig dieser Regelung erhalten die konventionierten TM über ihr Teilstatut für jede Abwesenheit eines Kindes eine Entschädigung der Arbeitslosenkasse. Diese liegt bei 75% der üblichen Tagessentschädigung für einen Tag und bei 50% für 10  Abwesenheitstage.
Zudem wurde im Erlass von 2014 eine Ausnahmeregelung für Tagesmütter vorgesehen, die die bereits seit 2007 vorgeschriebene Mindestauslastung von 34% pro Tagesmutter betrifft. Tagesmütter, die aus gesundheitlichen Gründen (wie z.B. Unfall oder schwere Erkrankung) diese Mindestauslastung zeitweise nicht erreichen, können mit entsprechendem ärztlichen Attest, weiterhin als Tagesmutter tätig bleiben.
Auch die Begleitung und Weiterbildung der Tagesmütter durch das sozial-pädagogische Fachpersonal wird durch eine Aufstockung des Personalschlüssels im Rahmen des Erlasses von 2014  aufgewertet. So kann der Tagesmütterdienst ab dem 1. September 2015 sein sozial-pädagogisches Team um eine Halbzeitkraft erweitern.
Die Entlohnung einer selbständigen Tagesmutter ist nicht leicht vorauszuberechnen, da sie den Preis ihrer Dienstleistung eigenständig festlegt. Außerdem ist in diesem Zusammenhang die Bezeichnung Lohn das falsche Wort, denn genauer genommen handelt es sich um eine Aufwandsentschädigung. Zwar wird diese pauschal gezahlt und berechnet, sie gilt jedoch als Ausgleich für die Kosten, die die STM aufgrund ihrer Dienstleistung hat. Deshalb herrscht hier nur eine begrenzte Steuerbefreiung.  Ein Vergleich mit einem Mindestlohn ist daher nicht ganz korrekt – vor allem nicht, wenn man gleichzeitig von Steuerbefreiung spricht.
Übrigens! Ich kenne die Tarife auf dem Schwarzmarkt für Babysitter nicht. Laut Familienliga liegt der offizielle Tarif bei 6€/Stunde.
Ausgehend vom aktuellen (1. Januar 2015) monatlichen überberuflichen Mindestlohn in Höhe von 1.502 € brutto wohlgemerkt, lag der monatliche Bruttolohn in der DG 2013:
• bei 21 konventionierten TM aufgrund ihrer Auslastung bei mehr als 1.467,34 € (steuerfrei)
• die restlichen TM erhalten zwischen 750 € und 1.115 € brutto wie netto.
Diese Summen sind sehr unterschiedlich. Das liegt allerdings u.a. an der Kontinuität der Betreuung und der Auslastung der TM.
Da es sich um eine Aufwandsentschädigung handelt, kann der Betrag nicht unbegrenzt angehoben werden, um die Steuerbefreiung weiterhin zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Vergleich mit der Aufwandsentschädigung der TM in den anderen Gemeinschaften interessant. Die Entschädigung der TM in der DG liegt mit 18,51 € minimal über den 18,49 € der Französischen Gemeinschaft und leicht unter den 19,55 € der Flämischen Gemeinschaft

Eine Erhöhung der Sätze wäre nun in minimaler Höhe möglich, denn ansonsten müsste die Aufwandsentschädigung versteuert werden. Auch darüber ist die Regierung bereit zu diskutieren, insofern die Haushaltslage es erlaub und natürlich falls dadurch auch neue Tagesmütter zu gewinnen sind.

Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass den TM korrekte Rahmenbedingungen gewährt werden müssen. Dies kann jedoch auf mehreren Ebenen erfolgen und dies möchte ich auch zunächst mit den TM und deren Vertretern tiefgründiger erörtern. Sollte eine Erhöhung der Aufwandsentschädigung dabei ins Auge gefasst werden, muss vorab eine Rücksprache mit der föderalen Finanzbehörde erfolgen, um nachträgliche Steuerzahlungsforderungen zu vermeiden.
Die Einführung des Vollstatuts bleibt weiterhin eine föderale Angelegenheit. Kris Peeters hat im Rahmen einer aktuellen Frage in der Kammer vom 27.01.2015 mitgeteilt, dass er zusammen mit den Ministerkollegen aus den Gemeinschaften über die Verbesserung des Statuts austauschen möchte. Das kann an dieser Stelle nur begrüßen.
Da die Einführung eines Arbeitnehmerstatuts umstritten ist und im Vergleich zum derzeitigen Statut nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile bringen könnte, hat die Flämische Gemeinschaft im Januar diesen Jahres ein Pilotprojekt über zwei Jahre gestartet. Dabei werden eine bestimmte Anzahl TM unter einem Arbeitnehmerstatut arbeiten. In dieser Pilotphase sollen die Stärken und Schwächen in der konkreten Umsetzung sowohl von den Tagesmüttern als auch von den Behörden und den TM-Diensten bewertet werden.
Wir haben die Flämische Gemeinschaft bereits gebeten, uns über die Zwischenresultate und die Endbewertung des Projektes zu informieren. Am 7. Mai findet die gemeinsame Regierungssitzung mit der Flämischen Gemeinschaft statt. Zu diesem Anlasse werde ich sicherlich mit meinem Amtskollegen darüber austauschen.

In der letzten Legislaturperiode hat das Finanzministerium auf Anfrage der Gemeinschaften eine Finanzsimulation durchgeführt. Damit sollte die finanzielle Situation unter dem jetzigen Statut mit einem vollständigen Arbeitnehmerstatut verglichen werden. Dabei wurden die anfallenden sozialen und steuerlichen Lasten, abhängig vom Familienstand berechnet.

Ausgegangen wurde von
• einem steuerbaren Gehalt für die TM von 19.078,93 €/Jahr
o was einem monatlichen steuerbaren Gehalt von ca. 1.380 € (19.078: 13,8),
o bzw. einem monatlichen Bruttogehalt von knapp 1.600 € (Arbeitnehmerbeitrag Soziallasten aufgerechnet) gleichkommt.

Bei dem Vollstatut verlöre auf Jahresbasis:
1. die verheiratete Tagesmutter ohne Personen zu Lasten zwischen 5.400 und 6.500 Euro an Einkommen.
2. die alleinstehenden TM ohne Kinder zu Lasten 2.300€.

Nur bei alleinstehenden TM mit drei Kinder zu Lasten würde die TM über 119 €  jährlich mehr verfügen.  Auch wenn ein vollständiges Arbeitnehmerstatut ein garantiertes Monatseinkommen bedeutete und die TM vollständig sozial abgesichert wären, würde es finanziell für eine Vielzahl von TM zu erheblichen Verlusten kommen.

Die Einführung eines Vollstatutes muss demnach wohl durchdacht werden. Den TM sollte es zudem freistehen, ob sie ihr aktuelles Statut beibehalten oder ein neues Statut annehmen möchten.

Ich hoffe in diesem Zusammenhang auf neue Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt in Flandern.

Darüber hinaus wird die DG natürlich aktiv bei den Gesprächen mit der Föderalregierung in Bezug auf neue Rahmenbedingungen zum Statut der TM mitwirken.

Übrigens! Die Normen betreffend die Anzahl Kinder sind ähnlich wie die im Inland und wurden seit 2007 bis heute nicht geändert. Und es besteht die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, um mehr Kinder zu betreuen.
3. Werden Sie zumindest die erst vor einem Jahr von der Regierung verabschiedeten Erlasse zur Kinderbetreuung und zur Zulassung von selbständigen Tagesmüttern überprüfen und die oben genannten Auflagen gegebenenfalls anpassen?
Mit dem neuen Erlass wurden den Tagesmüttern keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen auferlegt, sondern die allgemeinen Sicherheitsvorgaben ausformuliert. Dies war auch der Auftrag an die Regierung.

Darüber hinaus beauftrage das Parlament mit diesem Dekret die Regierung, weitere Anerkennungsbedingungen festzulegen, insofern diese zu einer Erhöhung der Qualität der Kinderbetreuung beitragen können.
Zentrum der Überlegungen war also, den betreuten Kindern eine qualitativ hochwertige Betreuung in all seinen Facetten zu bieten.

Diesem Auftrag ist die Regierung mit den beiden Ausführungserlassen nachgekommen. Dabei wurden die Bestimmungen sowohl mit den Trägern der Kinderhorte, der AUBE-Standorte und dem RZKB als auch mit der Vereinigung der TM Ostbelgiens und den selbstständigen TM vorab besprochen und daraufhin Anpassungen vorgenommen.

Wie in den beiden anderen Gemeinschaften, an denen sich die Regierung ebenfalls orientiert hat, sind die jetzigen Sicherheits- und Hygienebestimmung sehr detailliert umschrieben. Dies ist auch erforderlich, wenn Anerkennungen und Inspektionen auf Grundlage objektiver Kriterien ausgesprochen bzw. durchgeführt werden soll. Diese Bestimmungen orientieren sich übrigens auch an den vorherigen Vorgehensweisen des DKF und des RZKB.

Man muss bedenken, dass die Wohnung oder das Haus der Tagesmutter teilweise zu ihrem Arbeitsplatz wird.
Bei der konkreten Anwendung der Sicherheitsbestimmungen besteht sicherlich Interpretationsspielraum.
Wenn sie z.B. von Gartenanpassung sprechen, so sieht der Erlass vor, dass der Außenbereich und der Zugang zu diesem gesichert sein muss. Damit ein Kleinkind in einem Garten frei spielen kann, wird vorausgesetzt, dass das Kleinkind nicht eigenständig den Spielraum verlassen kann. Dies erfordert nicht die Umzäunung des gesamten Grundstücks, sondern eine Absicherung des Bereichs, in dem die Kinder spielen. Das Gartenteiche so abgedeckt und gesichert sind, dass sei für Kinder unzugänglich sind,  versteht sich meines Erachtens von selbst.

Man darf nicht vergessen: Tagesmütter haben zwei Jahre Zeit, sich den Bestimmungen anzupassen. In Zusammenarbeit mit dem RZKB und dem Dienst Kaleido, der mit der Begutachtung und Beratung der selbständigen TM beauftragt ist, ist der zuständige FB im MDG beauftragt, ähnlich wie in den anderen Gemeinschaften, anschauliche Erläuterungen zur praktischen Umsetzung zu erstellen, bei denen immer mehrere Optionen zur Umsetzung aufgeführt werden sollen. Bei diesen Arbeiten werden das RZKB und die TM natürlich miteinbezogen. Es hat zu Beginn dieses Jahres diesbezüglich bereits ein erstes Gespräch zur Umsetzung der Sicherheitsbestimmungen mit dem FB, Kaleido und den selbständigen TM stattgefunden.

Dekret und Erlass wurden in der letzten Legislatur verabschiedet und sind seit 2015 in Kraft. Nach der ersten Phase sollen diese dann evaluiert werden – natürlich zusammen mit den Diensten und den Akteuren.

Auch werden wir eine Veranstaltung zur Familienpolitik organisieren, um mit den Eltern unter anderem über das Thema Kinderbetreuung auszutauschen.

Fazit:
Ich bin bereit, nach einer Testphase über Anpassungen des rechtlichen Rahmens zu sprechen. Mit den Nutznießern, mit dem RZKB und mit den konventionierten und selbstständigen Tagesmüttern.

Voraussetzung ist, dass auch weiterhin die Sicherheit der Kinder ausreichend gewährleistet ist. Denn die Qualität der Betreuung und die Sicherheit der Kinder sollten weiterhin absolute Priorität genießen

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